Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
hielt weiter in Richtung Süden, so glaube ich wenigstens, und kam schließlich an seichtes Wasser. Die Hundemeute konnte höchstens noch fünfundzwanzig Meter hinter mir sein. Ich konnte hören, wie sie durch die Palmettopalmen sprangen und stürzten und ihr lautes Gebell den ganzen Sumpf in Aufruhr versetzte. Als ich das Wasser sah, belebte sich auch meine Hoffnung. Wenn es nur ein bisschen tiefer wäre, würden sie meine Spur verlieren und mir so die Gelegenheit zur Flucht verschaffen. Glücklicherweise wurde das Wasser tiefer und tiefer je weiter ich hineinging. Irgendwann stand es über meinen Knöcheln, dann an den Knien und dann fast an der Hüfte – bis es schließlich wieder seichteren Regionen wich. Seit ich im Wasser war hatten die Hunde nicht aufgeholt. Offensichtlich waren sie verwirrt. Ihre wilden Laute entfernten sich nun immer mehr und verrieten mir, dass sie mich verloren hatten.
Endlich konnte ich kurz anhalten um zu lauschen, aber das langgezogene Heulen dröhnte sofort wieder durch die Luft und verriet mir, dass es noch nicht vorbei war. Auch wenn das Wasser sie behinderte, auf dem Moorboden konnten sie immer noch meine Schritte riechen und der Fährte folgen. Nach einiger Zeit kam ich zu meiner großen Freude an einen größeren Altarm. Ich sprang hinein und hatte das langsam fließende Wasser bald zur anderen Seite durchquert. Spätestens dort waren die Hunde verloren – der Strom hatte jede Spur dieses mysteriösen Geruchs, der es dem schnüffelnden Hund ermöglicht, die Spur eines Flüchtigen zu verfolgen, mit sich genommen.
Nach dem ich diesen Altarm durchschwommen hatte wurde das Wasser so tief, dass ich nicht mehr darin laufen konnte. Ich war nun im Großen Pacoudrie Sumpf, wie ich später erfuhr. Er steht voll mit riesigen Bäumen – Platanen, Eukalyptus und Zypressen – und reicht bis an die Ufer des Calcasieu River. Auf dreißig oder vierzig Meilen Länge gibt es keine Einwohner außer wilden Tieren wie Bären, Wildkatzen, Tiger und großen, schleimigen Reptilien, die überall herumkriechen. Schon lange bevor ich den Altarm erreicht hatte, von dem Moment, in dem ich auf das Wasser traf bis zu meiner Rückkehr aus dem Sumpf waren die Reptilien immer um mich herum. Ich sah hunderte Mokassinschlangen. Jeder Baumstamm, der Moorboden und die Baumstümpfe, über die ich klettern musste, waren übersät mit ihnen. Sie schlängelten sich vor mir in Sicherheit, aber manchmal setzte ich in meiner Eile fast einen Fuß oder eine meiner Hände auf sie. Sie gehören zu den Giftschlangen und ihr Biss ist tödlicher als der einer Klapperschlange. Nebenbei bemerkt hatte ich einen meiner Schuhe verloren. Die Sohle hatte sich komplett gelöst und nur noch das Oberteil hing an meinem Knöchel.
Ich sah auch viele große und kleine Alligatoren, die im Wasser oder auf dem Treibholz lagen. Der Lärm, den ich verursachte, schreckte sie auf und sie tauchten ins tiefere Wasser ab. Manchmal traf ich direkt auf eines dieser Monster bevor ich dessen gewahr wurde. In so einem Fall drehte ich um, lief eine kurze Umgehung und vermied so den Kontakt. Im Vorwärtsgang können sie eine kleine Entfernung sehr schnell überbrücken, aber sie können sich nicht umdrehen. Im Zickzackkurs ist es kein Problem, ihnen auszuweichen.
Um zwei Uhr nachmittags hörte ich die Hunde das letzte Mal. Wahrscheinlich konnten sie den Altarm nicht überqueren. Nass und erschöpft, aber erleichtert, dass ich nicht mehr in unmittelbarer Gefahr war, ging ich weiter. Nun aber war ich sehr viel vorsichtiger und passte besser auf die Alligatoren und Schlangen auf als zu Anfang meiner Flucht. Wenn ich nun in einen der schlammigen Tümpel musste, klatschte ich vorher mit einem Stab auf das Wasser. Wenn sich das Wasser bewegte ging ich außen herum, falls nicht mittendurch.
Schließlich ging die Sonne unter und nach und nach hüllte der Mantel der Nacht den großen Sumpf in Dunkelheit. Immer noch stolperte ich voran in ständiger Angst, dass mich im nächsten Moment der gefährliche Biss einer Mokassin oder die Kiefer eines aufgeschreckten Alligatoren erwischen würden. Die Angst vor den Tieren war nun fast so groß wie die vor den Bluthunden. Nach einiger Zeit stieg der Mond auf und ließ sein mildes Licht durch die über mir hängenden und mit langem Moos besetzten Äste kriechen.
Ich schleppte mich bis nach Mitternacht voran und hoffte inständig, bald in ein weniger trostloses und gefährlicheres Gebiet zu
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