Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (German Edition)
mir. Wir diskutieren circa zwei Stunden und vier Kannen Kaffee mit ordentlich Schuss lang, warum Niko, der beim Planetariumsrendezvous noch so zielstrebig vergaß, meine Hand loszulassen, sich jetzt nicht meldet. Gut, ja, zwei Tage sind nix. Lächerlich.
Trotzdem. Hab ich irgendwas falsch gemacht? Zu wenig? Zu viel?? Okay, ja. Ich gestehe: Es gab eine SMS von mir nach der Sternenguckerei. Ich habe ihm geschrieben, dass ich den Abend großartig fand, überraschend, schön, (nein, nicht »überraschend schön«, sondern »überraschend und schön«!!) und dass ich mich auf den Nachschlag freue. War das zu viel? Hab ich ihn vertrieben, mit einem KOMPLIMENT? Reicht es schon, seine Freude über ein gelungenes Date zu bekunden, um Schweißausbrüche und Fluchtgedanken auszulösen?
Ja, ich möchte mich auch gerne erobern lassen, aber mal ehrlich, wir leben im 21. Jahrhundert, da wird ja wohl etwas Mithilfe erlaubt sein! Muss ich mich wirklich pflücken lassen? Darf ich nicht selbst vom Baum und in seine Hände fallen, wenn ich entscheide, dass ich das will? Ich will mich nicht pflücken lassen! Und vor allem nicht, wenn das so schrecklich langsam vorangeht. Ich möchte mich treffen, und zwar DIESES JAHR NOCH, wenn’s recht ist!
FAZIT: Sieben Minuten für ein Resümee
Speeddating gehört zu den erniedrigendsten Dingen, die ich jemals gemacht habe. In einem wirklich gut besuchten Restaurant an einem Sonntagabend öffentlich als verzweifelter Single gebrandmarkt zu werden, ist peinlich und frustrierend. Aber auch überraschend aufregend! Beim zweiten Mal tat’s dann auch gleich gar nicht mehr so weh, was an Niko, an Mona oder am Alkohol gelegen haben kann.
Alkohol ist ohnehin schwer zu empfehlen, wenn man bei übermäßigem Konsum nicht gerade die Eigenschaft hat, nackt auf einem Tisch die Marseillaise zu singen. Wenn man ein wenig angeschickert den Mut der Verzweiflung als Heldentum feiert, wenn man jemanden bei sich hat, mit dem man sich später über die anwesenden Knallerbsen das Maul zerreißen oder den Schmankerln das Herz und die großen Rosinenträume hinterherwerfen kann, DANN macht das ganze Spaß. Und dann wird man locker und ist plötzlich man selbst, und dann kann es sogar passieren, dass plötzlich jemand vor einem steht, mit dem man gar nicht mehr gerechnet hat.
Trotzdem: Es ist und bleibt ein Schaulaufen. Wenn du ein scharfes Prêt-à-porter-Teilchen bist, wirst du wahrscheinlich auf den ersten Blick (sieben Sekunden, nicht sieben Minuten) einige Fans finden. Ich aber bin ein Designerteilchen. Ich bin Haute Couture, irgendwo an der Schwelle zwischen Mode und Kunst. Haute Couture – das sind Einzel- und Kunststücke, die nicht jeder kapiert. Ich werde bestaunt, angefasst, anprobiert. Aber kaufen will so ein Kunstwerk keiner. Zum einen, weil es teuer wird. Zum anderen, weil es nicht ins normale Reihenhauswohnzimmer passt. Da steckt halt Kunst drin.
Bei dem neuen Motto komme ich natürlich nicht umhin, mich zu fragen, wie wichtig gemeinsame Interessen sind. In meinen vergangenen Beziehungen habe ich mich eher an den Wahlspruch Gegensätze ziehen sich an gehalten. Extrem-Couching (ich) gegen Sportbegeisterung (er), Freude an Literatur (ich) gegen Ego-Shooter-Fanatismus (er) und kulinarisch geprägte Geselligkeit (ich) gegen einsame Wanderungen durch den Harz (dreitägig, er).
Ich habe viele Abende und Nachmittage auf der Couch verbracht und Interesse an der Snooker-WM gezeigt (oder geheuchelt), ich habe aufmerksam die Games-World gelesen und mich über die grafischen Verbesserungen bei einschlägigen Gewaltspielen informiert. Nicht ohne Lob zu ernten, aber natürlich immer hinter den Ansprüchen zurückbleibend, da es sich eben um angelernte Informationen handelte und nicht um leidenschaftlich aufgesaugte Daten.
Habe ich versucht, meine Interessen anzupassen, um passend zu machen, was nicht passend war? Oder wollte ich einfach bestimmte Aspekte an meinem jeweiligen Partner verstehen, um ihm näher zu kommen? Und: Hatte ich überhaupt schon einmal einen Mann, dessen Interessen weitgehend mit den meinen übereinstimmten, und hat es dann besser geklappt?
Für Architektur interessiere ich mich zum Beispiel überhaupt nicht. Das könnte sich aber bald ändern. Und zwar nicht nur, weil ich generell ein sehr aufgeschlossener Mensch bin, sondern weil Niko in Wirklichkeit Architekt ist. Damit verbindet uns immerhin eine Gemeinsamkeit: Er baut Häuser und ich wohne gerne darin.
Doch mein geheucheltes Interesse
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