Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (German Edition)
fühle, so wie bei dir, das hat echt geholfen, da mal über meinen Schatten zu springen, nicht immer nur schüchtern sein und so, aber jetzt traue ich mich und ich glaube, das wird mir auch in Zukunft helfen, weißt du«, erstaunlich: Selbst das sagt er ohne Fragezeichen, »weil ich merke, dass ich früher nur Angst vor der Stille hatte, total bescheuert, Angst, dass niemand was sagt, und dabei hab ich ja nie was gesagt, und dann hab ich mich immer noch mehr gefürchtet, und noch weniger gesagt, Mann, echt bescheuert, wenn man mal so nachdenkt, ich geh grad mal kurz aufs Klo, bin gleich wieder da.«
Er steht auf und verschwindet in Richtung Toiletten. In meinen Ohren rauscht es. Ich habe bestimmt einen Tinnitus, ganz sicher sogar. Ich schaue wieder auf die Uhr, die seit zwei Stunden übrigens kaputt zu sein scheint, weil sich die Zeiger kaum noch von der Stelle rühren. Ich wollte ja eigentlich beweisen, dass im Internet nicht nur Idioten unterwegs sind. Der Versuch muss leider abgebrochen werden. Und zwar jetzt.
Ulf kommt wieder, und er holt Luft, noch bevor er sich setzt. Ich hebe meinen Zeigefinger. Er schielt ihn an. Schweigt aber. Ein guter Anfang.
»So, mein Lieber«, sage ich mit Nachdruck und erhobenem Zeigefinger. »Ich hatte dir ja schon geschrieben, dass ich nicht glaube, dass wir füreinander geschaffen sind. Und weißt du auch warum?«
Er beäugt irritiert weiter meinen Zeigefinger. Schweigt. Ich setze nach: »Frag mich, warum!« Er äugt. Ich werde lauter. »Du sollst mich fragen, warum!!«
Aufrichtig irritiert fragt Ulf: »Warum?«
»Ha! Weil DAS deine erste Frage in zwei Stunden an mich war! Weil es hier tatsächlich keine einzige Sekunde um mich ging, sondern nur um dich, und weil genau DAS das Problem von schüchternen Leuten ist! Wo ich auch hingucke, soziale Inkompetenz! Ich hab’s SO SATT!« Ich stehe auf.
Ulf guckt mich verwirrt an . » Aber wir haben uns doch so nett unterhalten!«
Ich schnaube . » DU hast dich unterhalten, DU ZAHLST!!!«
Und dann gehe ich. Ich schäme mich ein bisschen, weil ich das selber heraufbeschworen habe. Weil ich ihn motiviert habe, geradezu dazu aufgefordert, nicht mehr schüchtern zu sein. Ich denke an Frankenstein, und als Nächstes denke ich: Ich habe ein Monster erschaffen! Aber wer kann denn bitte ahnen, dass das am Ende SO ausgeht?
Auch egal. Ich bin müde. Und taub. Ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr. Wer hat sich eigentlich diese Scheiße hier einfallen lassen?
FAZIT: Und heute singt für Sie: Das Niveau!
Meine Oma hat eine recht präzise Meinung, wenn es ums Online-Dating geht: Nur Freaks und Spinner. Meine Oma sagt, dass nur Idioten vor dem Rechner sitzen und nach der Liebe suchen. Meine Oma denkt beim Stichwort Internet allerdings auch an Kinderpornografie und digitale Raubüberfälle. Obwohl sie generell recht fortschrittlich ist, würde sie niemals auf die Idee kommen, eine Überweisung online zu tätigen. Der Weg zu ihrem Bankberater mit dem sorgsam ausgefüllten Überweisungsträger ist ihr heilig. Bücher würde sie sich niemals im Internet bestellen. Auch nicht, wenn sie sich damit den Weg in die Stadt ersparen würde und die Parkplatzsuche, das Warten in der Buchhandlung und die Möglichkeit, dass das Buch nicht vorrätig ist, bestellt werden muss und sie drei Tage später das ganze Prozedere erneut auf sich nehmen muss. Das macht man einfach nicht.
Wenn meine Oma sich nun also schon so anstellt, wenn es um eine Flugbuchung, eine Buchbestellung oder eine Kinokarten-Reservierung geht, ist ihr die Vorstellung, den Partner fürs Leben im Internet zu finden, natürlich hochgradig suspekt. Sie erzählt mir von Heiratsschwindlern (wobei das in meinem Fall nicht wirklich schlimm wäre, ich habe kein Vermögen und an Heirat glaube ich auch nicht), Pädophilen, Sektenführern, von der Internet-Mafia, die sich in deinen Rechner einhackt und deine Konten plündert.
Ich mag meine Oma sehr, sehr gern. Aber manchmal ist sie echt anstrengend. Es hat mir dennoch zu denken gegeben, dass sie, als ich ihr das Motto des Monats verkündete, meinte, man müsse einen Mann doch ERST sehen und dann kennenlernen. Im ersten Moment dachte ich, meine Oma sei eine verdammt oberflächliche Person ohne irgendeinen erkennbaren Realitätsbezug. Im zweiten Moment dachte ich, ich sollte nachsichtiger sein, immerhin ist sie 83 und zu der Zeit, als sie gedatet hat, lief das alles noch ein wenig anders. Und im dritten Moment dachte ich, dass sie vielleicht doch recht
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