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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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meinen Namen», stellt sie zufrieden fest.
    «Darf ich dich zu einem Kaffee oder etwas anderem einladen?» Ich zeige auf die Auswahl in der erleuchteten Kuchentheke.
    «Ich habe mir schon einen Kaffee bestellt, vielen Dank. Und zum Glück habe ich diese Phase hinter mir», sagt sie und deutet zur Theke hin.
    «Ja, ich habe mir eben überlegt, ob das wohl noch schlimme Ausmaße annehmen wird», sage ich, «es ist, als bekäme ich nie genug zu essen, ausgerechnet ich, der ich seit vielen Jahren kein Gebäck mehr gegessen habe!»
    «Wenn du jeden Tag getrunken hast, musst du viel essen, damit der Körper dieselbe Energiemenge wie mit dem Alkohol bekommt», erklärt sie. «Doch der Körper stellt sich allmählich um. Hoffentlich, bevor du zu dick wirst.» Es liegt ein neckischer Ausdruck auf ihrem Gesicht, und wenn sie lächelt, werden die Augen noch schräger. Sie hat ein Grübchen in einer Wange, das ihr etwas Kindliches verleiht. Ich kann nicht schätzen, wie alt sie ist. So zwischen zwanzig und dreißig. «Hast du schon andere Meetings ausprobiert?», fragt sie.
    «Ja.» Ich verspüre keine besondere Lust, ihr von dem Gay-Meeting zu erzählen, und so lenke ich das Gespräch in eine andere Richtung: «Kannst du ein Meeting speziell empfehlen?»
    «Alle Meetings sind gut, aber mein Lieblingstreffen findet in der Hverfisgata bei der gläubigen Gruppe statt. Das solltest du mal ausprobieren.»
    «Ja, ich war mit meinem Bruder bei einem solchen Meeting, «das war sehr angenehm.»
    «Ja genau, ich habe Egill dort schon öfters getroffen!»
    «Ist diese Gruppe gläubiger als andere?», frage ich.
    «Ja, da herrscht irgendwie so eine Art Pfingstgemeinden-Stimmung, und weißt du, der Leiter, der Pfarrer, sagt, dass der Glaube die eigentliche Basis für die Genesung ist. Das kommt aus Amerika, wenn ich es recht verstanden habe», sagt sie und nimmt ihren Kaffee entgegen, den die Bedienung ihr in einem Pappbecher bringt.
    «Es war schön, dich zu treffen.» Sie lächelt.
    «Gleichfalls», sage ich, «wir sehen uns vielleicht mal bei einem Meeting.»
    «Ganz bestimmt!», ruft sie von der Tür her und winkt mir zu.
     
    Als ich mit meinem Vorrat aus der Bäckerei nach Hause komme, rufe ich Iðunn an.
    «Ich habe mit dem zuständigen Polizisten geredet, der damals die Ermittlungen in Atlis Fall geleitet hat», sagt sie. Ich höre ihr an, dass da mehr dahintersteckt.
    «Und was hat er gesagt?»
    «Typisches
Gay-Bashing
. Sie waren in einem Club und gingen zusammen nach Hause, doch dann wollte Atli nicht, flippte aus und hat voll zugeschlagen.»
    «Das hat er uns auch erzählt.»
    «Ja. Der Polizist, mit dem ich geredet habe, war wirklich geschockt, als er zum Tatort kam. Atli ist offensichtlich vollkommen ausgerastet. Das Opfer wurde zwei Wochen lang im künstlichen Koma gehalten wegen einer Hirnhautschwellung, er hatte einen gebrochenen Backenknochen, gebrochene Arme und viele Schnittwunden wegen einer Lampe, die Atli ihm auf den Kopf geschlagen hat, und er war wegen der Fußtritte am ganzen Körper mit blauen Flecken übersät.»
    «Er wollte den Macker markieren», sage ich. «Berauscht von seiner eigenen Wut, hat er seinen Schmerz betäubt.»
    «Ja.» Iðunn schweigt.
    «Was ist los?»
    «Es gibt da noch etwas, das mich stört», sagt sie zögernd.
    «Was denn?»
    «Der Mann war Pfarrer.»
    «Was?», rufe ich wie ein Idiot.
    «Der Mann, den Atli verprügelt hat, war Pfarrer.»
    Der Satz «Gott hasst Schwuchteln» geistert noch immer in meinen Gedanken herum, das kann kein Zufall sein.
    «Das mit dem Glauben scheint also wichtig zu sein», sage ich. «Ich wollte ohnehin mit einem Pfarrer über die Kreuzigung und ihre Bedeutung reden. Soll ich nicht einfach diesen Pfarrer befragen?»
    «Ich werde herausfinden, wie er heißt und wo er wohnt», antwortet Iðunn, und wir verabschieden uns.
     
    Ich muss mich offensichtlich seit neuestem nachmittags hinlegen, denn ab drei Uhr surrt es in meinen Ohren vor Müdigkeit. Ich lege mich ins Bett und erwache eine Stunde später mit Kopfschmerzen. Im Bad durchsuche ich den Schrank nach Schmerztabletten und finde nichts außer Parkotin. Laut dem Arzt darf ich das nicht nehmen, sondern nur Schmerzmittel, die kein Morphin oder Kodein enthalten. Ich muss daran denken, Ibuprofen und Paracetamol zu kaufen, wenn ich das nächste Mal in die Apotheke gehe. Vielleicht helfen mir ja eine Dusche und eine Tasse Kaffee. Unter der heißen Dusche versuche ich, nicht an den Mordfall, sondern an mein eigenes

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