Zwoelf Schritte
Gewissen zu erleichtern. Die Kontrolle über sein Leben abzugeben und sie stattdessen in Gottes Hände zu legen, mit allen, denen man geschadet hat, ins Reine zu kommen, und in jeder Hinsicht auf Gott zu hören und seiner Kontrolle zu vertrauen. In der neuen Organisation waren es zwölf Schritte, aber man kann sie eigentlich in drei Abschnitte einteilen, die ersten drei Schritte sind die Kapitulation, die Schritte vier bis neun die Reinigung und die letzten drei schließlich das Erleben.»
«Wie wichtig sind diese Schritte für Alkoholiker, die gesund werden wollen?» Megan schaut Geir konzentriert an.
«Sie sind das A und O», antwortet er und erwidert aufmerksam ihren Blick. «Ohne sie ist Abstinenz sinnlos.»
«Das muss aber vielleicht nicht ausschließlich so sein», füge ich vorsichtig hinzu, mit Hinblick auf die Leute, die nicht die Schritte durchlaufen haben und trotzdem seit langer Zeit trocken sind.
«Jetzt spricht wieder das Nicht-wahrhaben-Wollen», sagt Geir. «Wie kommst du übrigens mit deinen Schritten voran?» Ich nehme es ihm insgeheim übel, dass er mir mein schleppendes Vorankommen als Argument in diesem Gespräch ins Gesicht schleudert. Ich zucke nur mit den Schultern, stehe auf und gehe auf den Flur, um mir mehr Wasser zu holen. Durch die offene Tür höre ich, dass sie weiterreden, und bleibe draußen, damit Megans Befragung nicht durch meine Empfindlichkeit beeinträchtigt wird. Ich höre, wie Geir über den Ursprung, die Geschichte der Anonymen Alkoholiker und ihre Gründung auf Island spricht. Sein Englisch ist hervorragend. Hin und wieder unterbricht Megan ihn mit einer Frage, aber ich lausche nur mit halbem Ohr, spaziere Wasser schlürfend vor der Tür auf und ab. Natürlich weiß ich, dass ich die Schritte brauche. Mein Nüchternsein hängt an einem seidenen Faden, und nur die Willenskraft hält mich davon ab zu trinken. Und von den Meetings weiß ich, dass Willenskraft allein noch nie ausgereicht hat, um nüchtern zu bleiben. Als Geir auf den Flur hinauskommt, gehe ich auf ihn zu, verabschiede mich herzlich von ihm und mache deutlich, dass ich nicht eingeschnappt bin.
«Ich werde mich bald an dich wenden», sage ich, als er mir auf den Rücken klopft. «Ich war einfach so mit dem Fall beschäftigt.»
«Das verstehe ich», sagt er milde lächelnd. Ich bin froh, dass er nicht sauer auf mich ist.
Megan nimmt sich schon wieder ein Teilchen aus der Tüte, als wir den großen Sitzungsraum betreten, läuft im Zimmer herum und starrt auf die Fotos an der Wand. Dort hängt in einem neuen Viereck ein Foto von dem Mann auf dem Sofa, im Vordergrund der Tisch mit den drapierten Requisiten des Mörders.
«Er schickt uns Botschaften, die wir nicht entschlüsseln können. Wahrscheinlich sind sie trotzdem offensichtlich», sagt Megan laut schmatzend. «Es ist anzunehmen, dass sie die AA betreffen oder irgendwie mit Suchtkranken und Alkoholikern zu tun haben.»
«Als ich zuerst den Gedanken hatte, dass es ein und derselbe Mörder sein könnte, dachte ich, dass es ein Trinker ist, der einen Hass auf Nichttrinker hat», sage ich.
«Serienmörder sehen sich normalerweise in einer besseren Lage als die Opfer», antwortet Megan, «das passt also nicht zum Profil.»
«Kann es denn nicht sein, dass alle Toten Probleme hatten, nüchtern zu bleiben?», überlege ich laut.
«Guter Einfall», sagt sie, greift zum Telefon und bittet jemanden, die letzten Tage der Männer danach durchzugehen, ob einer von ihnen, soweit bekannt, rückfällig geworden ist.
«Drei der Opfer starben unter Umständen, die oft typisch für Alkoholiker sind», sage ich. «Sie nehmen eine Überdosis Medikamente oder trinken zu viel Alkohol, verlieren das Bewusstsein und wachen nicht mehr auf, zu Hause im Wohnzimmer, im Bad oder irgendwo draußen.»
«Und bei den anderen Fällen gibt es offensichtliche religiöse Bezüge», ergänzt Megan, während wir weiter auf die Vierecke an der Wand starren.
«Der Mörder könnte wie Geir der Meinung sein, dass Abstinenz ohne die Schritte sinnlos ist», sage ich. «Das ist eine sehr verbreitete Ansicht unter den AA . Vielleicht taten sie sich einfach schwer mit den Schritten.» Megan starrt an die Wand. Plötzlich reißt sie das Laptop aus der Tasche und fährt es hoch.
«Ich glaube, dass wir allmählich ein Muster erkennen können», sagt sie. Ich stelle mich hinter sie, während sie die Schritte auf Englisch sucht und sie aufmerksam liest. Den ersten Schritt liest sie laut vor:
«Wir
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