Zwölf um ein Bett
Zimmer zu manövrieren. Darauf ging John hinauf und redete bei Mrs. North weiter, Stunden um Stunden.
Oliver glaubte, so schlecht hätte er sich während seiner ganzen Krankheit nicht gefühlt. Bestimmt war er niemals so unglücklich gewesen. In der Nacht lag er wach mit offenen Augen, verwünschte sich als einen Narren, der sich überall einmischte. Er mußte einsehen, daß die Vision, in der er sich als das weise Orakel gesehen hatte, recht trügerisch gewesen war, daß seine Reden grauer Theorie entsprangen und daß er sich alles rein mathematisch, aber nicht menschlich zurechtgelegt hatte, weil er so von seiner Weisheit eingenommen war, daß er alles nur von seinem Gesichtspunkt aus betrachtet hatte!
Er hörte die Standuhr ein Uhr schlagen und zwei Uhr, und als sie drei Uhr schlug, hatte ihn die Wolke der Depression völlig eingehüllt. Aber niemand würde Rücksicht auf seine Person nehmen, wenn er jetzt einen seiner launischen Anfälle bekäme. Niemand würde sich von seinen Launen belästigen lassen und sich bei ihm mit leckeren Speisen einzuschmeicheln versuchen und ihn fragen, ob man eine Flasche Wein für ihn aufmachen sollte. Auch das Erlebnis, wie der Haushalt aufatmete, sobald seine schlechte Laune vorüber war, würde er nicht mehr genießen können. Wahrscheinlich würde überhaupt niemand eine solche Laune bemerken. Geschah ihm ganz recht. Er wünschte, er wäre älter, jetzt, da er dazu verdammt schien, den Rest seines Lebens nutzlos sich mit sich selbst zu beschäftigen, nachdem seine Beschäftigung mit der Umwelt so jämmerlich fehlgeschlagen war. Natürlich würde es ihm niemals mehr besser gehen; auch wenn es niemand sagte, würde er immer wissen, daß er ein Heuchler wäre; ein querulanter alter Mann würde aus ihm werden, der in der Familie herumgestoßen wurde, eine Last für alle, noch nicht einmal fähig zu sterben, und wenn er es schließlich tat, hinterließ er den Menschen, die sich um ihn gekümmert hatten, noch nicht einmal einen Pfennig.
Als Krönung ihrer Extra-Arbeit hatte Elisabeth sogar an seinen Tee gedacht. Oliver sah säuerlich auf die Thermosflasche. Sah ihr ähnlich, nichts zu vergessen. Welches Recht hatte ein Mensch, so vollkommen zu sein? Es sah beinahe wie eine Anklage aus. Er begann mehr und mehr zu verstehen, was in Heather nach dem unheilvollen Zwischenfall mit Lady Sandys vorgegangen war. Wie konnte sie weiter mit John im gleichen Hause leben? Aber er hatte keinen Stanford Black, zu dem er fortlaufen konnte. Vielleicht würde er zu Mary Brewers Wirtshaus laufen — auf einem Bein, und dann in ihr Schlafzimmer hüpfen, in dem Wahrscheinlich dunkle, schiefe Möbel mit großen Knäufen standen und eine Strohmatte vor dem Waschtisch lag. Mary Brewer würde sich in freudiger Überraschung in ihrem Bett aufsetzen; in einem grünen Baumwoll-Pyjama und mit einem Haarnetz. Ihre Unterwäsche würde auf einem Stuhl liegen. Er sah förmlich den Strumpfbandgürtel und die schwarzen Wollstrümpfe, die zu ihrer Tracht gehörten.
Trotzdem, dachte er murrend, war es eine gute Sache, daß Elisabeth den Tee gemacht hatte. Er goß sich eine Tasse ein, trank einen Schluck und schleuderte den Rest auf den Rasen. Der Tee war fast kalt; sie hatte den Deckel nicht ordentlich festgeschraubt. Also bist du schließlich doch nicht ganz so unfehlbar, dachte er und war erfreut, jemanden bei einem Fehler ertappt zu haben, wenn auch bei einem leichten.
Mrs. Ogilvie konnte natürlich nicht immer ferngehalten werden. Zwei Tage nach Heathers Flucht, als man immer noch kein Wort von ihr gehört hatte und nicht wußte, wo sie war oder was sie vorhatte, erschien Mrs. Ogilvie mit einem Buch für Oliver über die übersinnlichen, meist sehr deprimierenden Erlebnisse eines verstümmelten Soldaten. Mit ihrem unbeirrbaren Instinkt für unangenehme Vorfälle war sie noch nicht in der Halle, als sie schon witterte, daß irgend etwas nicht stimmte. Sie schnüffelte so lange herum, bis sie glaubte, die richtige Spur gefunden zu haben.
»Und wo ist Heather?« fragte sie, als Elisabeth, an deren Schürze die Kinder hingen, das Tablett mit Tee in Olivers Zimmer brachte.
»Nun«, sagte Mrs. North schnell, ein wenig zu schnell, »sie ist zu Freunden in die Stadt gefahren, mm — hm. Elisabeth bekümmert sich um die Kinder.«
»Wirklich?« fragte Mrs. Ogilvie. »Das wird ihr guttun. Sie kann sicher eine Abwechslung vom Haushalt gut gebrauchen.« Sie fragte nicht, warum Mrs. Norths Augen so rot waren
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