Zwölf um ein Bett
überstandenen Tag mit einem Taschenmesser eine Kerbe in seinen Gipsverband.
Der Stabsarzt sah etwas unbehaglich aus. Er war jung und harmlos, und ich nehme an, er hatte recht harte Stunden mit meiner Mutter hinter sich. >Ja<, sagte er, >wenn die Angehörigen eines Patienten bereit sind, den größten Teil der Verantwortung zu übernehmen — aber ich fürchte, in Ihrem Fall wird das noch nicht möglich sein.<
Als meine Mutter mich fragte, wer das Lazarett leite, wollte ich selbst eine Wette abschließen, aber keiner wollte gegenhalten. Sie hatten sie alle inzwischen ganz hübsch kennengelernt. Sie wollte mir nie erzählen, was sich zwischen ihr und dem Chefarzt abgespielt hatte. Ich wußte, daß sie durch einen meiner Onkel, der am Kriegsministerium war, an ihn herangekommen war, aber ich hätte zu gern noch gewußt, was sich die beiden zu sagen gehabt hatten. Jedenfalls, der Endeffekt war, daß ich eines Tages in Decken und Wärmflaschen eingepackt wurde, einen Schluck verdünnten Brandy bekam — die Nachtschwester wußte sich zu helfen und füllte stets die Flasche mit Wasser auf — und auf einem Rollbett hinausgebracht wurde, begleitet von den Glückwünschen des ganzen Haufens. Als ich hier in dem schmucksten Privatsanatorium, das ich je sah, ankam, war Sandy bereits installiert, und ich fand das schönste Schlafzimmer vor, mit einer erdrückenden Masse von Blumen und Büchern, mit einem Holzfeuer im Kamin und hysterischen Begrüßungsszenen der Familie. Ich hatte kaum eine Andeutung auf dieses Zimmer gemacht, als Ma auch schon einen Baumeister beredet hatte, alle Bombenreparaturen in Birmingham sein zu lassen und diese Bettnische für mich einzubauen. Eine bemerkenswerte Frau, meine Mutter.«
»Ich nehme an, Sie halten mich für ein ziemliches Wrack«, sagte Oliver.
»Keineswegs«, sagte Elisabeth, schlug den letzten Leinenzipfel ein und bückte sich nach ihrem Verbandskasten. »Meine Schwester Heather«, sagte Oliver, »meinte, ich läge hier wie ein hingehauchter Heiliger. Meinen Sie, ich bin ein halber Heiliger, Elisabeth? Bin ich ein guter Patient?« Seltsamerweise folterte ihn seit einiger Zeit die Neugier zu wissen, was sie über ihn dachte.
»Natürlich«, sagte sie, »aber Sie müssen jetzt still sein. Sie haben viel zuviel gesprochen; Sie werden überhaupt nicht einschlafen können.«
»Das eine weiß ich jedenfalls: Sie sind der Meinung, ich hätte nicht nach Hause gebracht werden sollen«, ließ er nicht locker. »Das sagten Sie.«
»Ja? Das war dumm von mir, wo ich doch eine so nette Arbeit dadurch habe«, sagte sie strahlend und flüchtete, ehe sie sich eine weitere Blöße geben konnte.
Meinte sie nun damit, es wäre eine leichte Arbeit oder sie wäre gern hier? Oder war es eine jener höflichen, nichtssagenden Bemerkungen, mit denen sie sich gegen zu vertrauliche Annäherungen zu wappnen wußte? Elisabeth verstehen zu wollen, gab einem das Gefühl eines Archäologen, der die jahrtausendealten Geheimnisse eines Fossils zu erforschen sucht. Vielleicht hatte Heather recht, und es gab hier gar nichts zu verstehen.
Er dachte daran, die Kuhglocke zu läuten, um sie zurückzurufen und zu fragen, was sie gemeint hatte. Er sah zu der Glocke hinüber, nahm sie auf, hielt den Schwengel mit seinen Fingern fest und studierte die Schweizer Kuh, die mit einem Bein auf jeder Ecke daraufgemalt war, mit dem Roseggtal als Hintergrund. Nachdem er sich klar darüber geworden war, was er sagen wollte, läutete er und ärgerte sich gleich über den mächtigen Lärm in der Stille seines Zimmers. Als sie nicht kam, läutete er nochmals, und Heather kam in einer Küchenschürze hereingestürzt und sah aus, als ob sie gar keine Zeit hätte.
»Was ist los, Ollie? Du hast Susan aufgeschreckt.«
»Das tut mir wirklich leid. Ich läutete eigentlich nach Elisabeth, aber ich nehme an, sie verbrennt draußen meine alten Verbände.«
»Na, da kann sie es bestimmt auch hören. Warum kommt sie nicht? Dafür wird sie doch bezahlt.«
»Sei nicht so böse, Heather.«
»Ich bin aber böse auf sie. Wir waren immer alle furchtbar nett zu ihr, und sie kann noch nicht einmal freundlich sein. Wenn sie schon so eisern zurückhaltend sein will, kann sie wenigstens ihre Arbeit anständig machen. Ich glaube nicht, daß ich mich sehr für sie erwärmen werde. Höre dir nur mal dies kleine Biest da oben an. Brauchst du etwas, ehe ich ‘raufgehe und es umbringe?«
»Nein, vielen Dank«, sagte Oliver kleinlaut.
Als
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