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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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Laune. Erst kam Heather zu ihm, um sich zu erkundigen: »Willst du die Kinder heute bei dir haben?«
    »Selbstverständlich will ich«, sagte er, »ich sehe sowieso verdammt wenig von ihnen.« Er las David laut aus einem erstaunlich langweiligen Buch über Eisenbahnen vor, das zum größten Teil aus Statistiken über die von den Rädern zurückgelegten Meilen, die Anzahl der beförderten Passagiere und der servierten Mahlzeiten bestand, mit Bildern von Eisenbahnen in übertriebener Perspektive und Frauen mit tiefen Taillen und Glockenhüten. Obgleich David es anscheinend auswendig kannte, konnte er es nicht oft genug hören und lauschte verzückt, verbesserte Oliver, wenn er etwas ausgelassen hatte, und vergaß seine Milch und die Kekse.
    »Trink aus«, wiederholte Heather unentwegt, bis Oliver mitten in einer Beschreibung des Bahnhofs von Euston abbrach und erklärte: »Mußt du eigentlich immer diese furchtbaren Ausdrücke gebrauchen?«
    »Was in aller Welt meinst du eigentlich?«
    »Dies >trink aus< und >iß auf<. So sprechen Leute, die ihre Kinder >Gören< nennen.«
    »Nun, und was ist dabei?« Heather würde nie im Traum daran gedacht haben, David und Susan so zu nennen, aber wenn Oliver unbedingt streiten wollte — sie konnte es auch.
    »Es ist ordinär. Entschuldige, David — >Im Sortierbüro verteilen die Postangestellten die Pakete auf die verschiedenen postalischen Bezirke...<«
    »Aber wirklich, Oliver, du bist unmöglich.« Wenn Heather sich ärgerte, warf sie ihren Kopf mit der Stirnlocke aus gekräuselten Fransen zurück wie ein Pony. »Du sagst immer, ich sei ein Snob. Warum setzt du nicht in die Praxis um, was du predigst?«
    »Wenn du schon zanken mußt, zank um Gottes willen nicht in Plattheiten — schon gut, David, ich weiß — >ehe sie in den Postwagen mit dem verschlungenen Monogramm G. R. an der Seite verladen werden.< Warum in aller Welt gebraucht man in Kinderbüchern solche albernen langen Sätze. Ich könnte ein besseres Buch als dies hier schreiben.« Heather antwortete nicht. Oliver entschloß sich, Davids Bildung zu vervollkommnen. »G. R. bedeutet Georg Rex, weißt du. Das ist dasselbe wie König Georg.«
    »Alles ist voll auf Bahnsteig 10«, leierte David unbeirrt. »Der Fliegende Schotte aus Invernesh und Perth läuft ein, Träger mit Gepäckwagen...«
    Oliver fühlte sich wohler, nachdem David ins Bett gegangen war. Er zweifelte an der Richtigkeit der Redensart, daß nur Kinder und Hunde einen reizbaren Menschen zu nehmen verstehen. Er plauderte ganz vergnügt mit seiner Mutter und seinen Schwestern, als Mary Brewer eintrat, einen Cocktail dankend annahm und sagte: »Nun muß ich euch, liebe Leute, leider hinauswerfen. Hier wird gearbeitet!« Sie rollte ihre Ärmel über ihre dicken, sommersprossigen Arme, gegen deren weiße Haut ihre roten Hände abstachen; ihre Finger waren so stumpf, als ob man sie an der Kuppe abgeflacht hätte. Sie trug ein graublaues Kleid aus einem Material, das große Ähnlichkeit mit Sackleinwand hatte, und behielt den kleinen blauen Klapphut auf. Darunter sahen ihre dichten, roten Haare so zerzaust hervor, wie die Radfahrt sie verweht hatte. Ganz gleich, was sie nun für Oliver zu tun hatte, jedenfalls zog sie es mehr als nötig in die Länge und erreichte damit, daß seine vorübergehend gute Laune verebbte. Er vermißte Elisabeth und überlegte, was sie jetzt wohl täte. Was tat sie überhaupt in London? Sie verriet nie viel mehr über ihr Wochenende als »ich war mit einer Freundin zusammen« und »ja, es war sehr schön, vielen Dank«. Sie schien niemals nach Hause zu gehen, obgleich er wußte, daß ihr Vater in London lebte. Ihre Mutter war tot. Sie hatte ihm dies in einer Art erzählt, die zu weiteren Fragen den Mut nahm.
    Violet war schrecklich aufgeregt. Nach dem Abendessen hatte sich etwas ereignet, was Oliver aufmuntern würde, und sie kam, um als erste die Neuigkeit zu berichten. Er hörte sie schon von weitem in dem Durchgang vom Wohnzimmer; sie klapperte über die Fliesen der Halle, wie ein Pferd auf der Landstraße galoppiert. Dann flog die Türklinke herunter, und schon war sie bei ihm, ihr Oberkörper früher als ihre Füße, so daß sie das Gleichgewicht verlor und beinahe über sein Bett gefallen wäre. Er hob schon abwehrend seinen Arm, als sie beim Taumeln gegen die Stufe der Fensternische wieder Halt gewann. »Ollie, was glaubst du — was glaubst du wohl?« Ihre tiefe Stimme erhob sich zu einem Quietschen, wie eine Klarinette, die

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