Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
Gestern haben sie da in der Kirche eine Extra-Andacht für euch gehalten und zum heiligen Antonius gebetet, daß ihr wiedergefunden würdet und heil an Land kämet. Solche Lümmels seid ihr, daß man für euch beten muß wie für die schlimmsten Sünder! Jawohl, und... ne, gleich wird weitergeschimpft, jetzt will ich erst mal Hildenfeld anrufen, wo eure Obermauelsbacher Wallfahrt diese Nacht verbringt, damit die armen Leute endlich aus ihrer Sorge herauskommen, die ihr Lümmels... Ach so, gleich wollte ich ja erst weiterschimpfen !«
Damit war der Herr Pastor von Oderbach zur Tür hinaus. Die »Verstoßenen« grinsten sich an. Ein Pastor, der so ein fröhliches Augenzwinkern hatte, das konnte kein schlimmer Pfarrer sein. Die Jungen fühlten sich in seinem Sprechzimmer ganz wohl, denn draußen regnete es immer noch. Aber dann sagte Willem: »Nun bin ich ja doch froh, daß die Obermauelsbacher wissen, wo wir sind. Aber daß der Pastor von Hinterkessenich uns da verquatscht hat, das war gemein !«
Dem pflichteten alle anderen »Verstoßenen« bei. Als der Herr Pastor von Oderbach nach einer Weile wieder zu den »Saulümmeln« zurückkam, zwinkerte er noch vergnügter aus den Augenwinkeln. »So«, sagte er, »das war gemacht! Hab nach Hildenfeld gemeldet: Zwölf Lausejungen, ein Hund, ein Leiterwagen zur Stelle! Aber ja, was seh ich denn nun? Ihr seid ja keine zwölfe, ihr seid ja bloß elf! — Wo habt ihr denn den einen gelassen ?« Da rückte denn Willem auch damit heraus, daß Herbert in der großen Stadt das Unglück mit dem Auto gehabt hätte und ins Krankenhaus gekommen sei! »Also wieder an die’ Strippe«, seufzte der Pastor. Und als er wiederkam, verkündete er: »So, der Herbert läßt euch schönstens grüßen. Es geht ihm gut, in zwei Tagen wär er wieder gesund. Im übrigen aber ist euer Freund Herbert mit mir einer Meinung darüber, daß ihr Lausejungen wäret: Ihr hättet ihm noch nicht geschrieben !«
»Doch, heut mittag !« sagte Willem.
»So, dann wäre wenigstens das in Ordnung !« sagte der Pastor befriedigt.
»Entschuldigen Sie«, fragte plötzlich der kleine Theo mit unbekümmerter Frechheit, »wollten Sie uns nicht noch weiter ausschimpfen ? «
»Ja, da hört doch alles auf !« polterte der Pastor los, »das ist denn doch die Höhe!«
Selbst die »Verstoßenen« schauten ihren kleinsten mit richtigem Entsetzen an. Der aber meinte ganz treu: »Ich bin immer froh, wenn so was herum ist. Und da mein ich, wenn Sie noch schimpfen müssen, tun Sie es bitte jetzt, dann haben wir es nachher ganz gemütlich !«
Da mußte der Pfarrer wieder lachen! »Du bist ‘ne Nummer !« sagte er zu dem kleinen Theo, und alle lachten. Damit war »das Kriegsbeil begraben«, wie der Herr Pastor sagte, und jetzt sollte der gemütliche Teil kommen.
Der bestand in einem großen Kessel heißen Reisbrei mit Zucker und Zimt, herrlichen Butterbroten mit Wurst und einem Ei für jeden und feinem Tee dazu. Als die »Verstoßenen« endlich satt waren, meinte sogar der dicke Emil: »Das war ‘n prima Abendessen !« Er fügte allerdings gleich wieder eine dreckige Bemerkung hinzu, indem er sagte: »So hätte das eigentlich jeden Abend sein müssen .« Und als die Uhr dann gegen neune ging, da standen draußen eine Reihe Buben und Mädels vor der Türe des Pastorats. Was die wollten, ging den »Verstoßenen« erst gar nicht ein. Aber der Herr Pastor nahm die müden Wallfahrer noch einmal mit in seine heimelige Pfarrkirche. Da brannten jetzt nur das Ewige Licht vor dem Hochaltar und zwei kleine Kerzenstümpfchen vor der Schmerzhaften Mutter. Schön war das! Alle Kinder mußten sich rund um den Pastor in die großen Bänke knien. Dann betete der Pfarrer ein ganz feines Gebet zum lieben Gott, in dem sehr viel von herzlichem Dank vorkam, weil der liebe Gott seine Kinder so wohl behütet habe, und in dem auch eine, wie der Pastor mitten im Gebet sagte, »ganz dicke« Bitte vorkam, die da hieß, der liebe Gott möge doch sorgen, daß die Kinder von Obermauelsbach und die von Oderbach immer brav und gut blieben. Dann wäre alles in Ordnung.
Jetzt gab es für jeden noch einen kleinen Spritzer Weihwasser, und die Obermauelsbacher Buben wurden auf die Odenbacher Kinder verteilt. Paarweise huschten sie davon durch die dunklen Gassen des Dorfes. Es war wohl keine halbe Stunde vorbei, da schliefen die »Verstoßenen«, jeder in einem warmen Bete, einen guten Schlaf, während draußen der Regen weiter auf die Erde fiel, und Gott Vater
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