Zwölf Wasser Zu den Anfängen
ins Spiel. Sie haben nicht etwa über den brennenden Fluss gesetzt, wie denn auch, sie kamen über den See und fielen von Norden her ein. Asing hatte ihnen Fackeln mitgegeben und aus jeder dieser Fackeln entsprang, sobald sie welsischen Boden betraten, ein feuriges Abbild des Mannes, der sie trug. Stell es dir vor: Eine Armee aus unbesiegbaren Flammenkriegern jagte über die Ebenen, und je mehr Land sie verbrannten, je mehr Höfe, Felder, Wälder, und ja, je mehr Menschen diese Flammenkrieger verzehrten, desto größer,mächtiger und schneller wurden sie. Es war ein Inferno aus Glut und Funken, aus züngelnden Flammen, aus beißendem Rauch und aus den Schreien der Menschen, die bei lebendigem Leibe verbrannten. Das Feuer kannte keine Gnade und machte keinen Unterschied zwischen Mann oder Frau, Kind oder Greis. Von Norden raste die flammende Armee Richtung Wandt, von Westen wälzte sich Asings Feuerwand ins Landesinnere. Es gab kein Entkommen, die Welsen würden in nur einer Nacht vernichtet werden. Die Kwother brauchten nur hinterherzulaufen und ein wenig herumzubrüllen. Fragst du dich nicht, warum du lebst, Felt, wo doch dein Volk verglüht ist?«
Felt antwortete nicht. Er hatte bisher geglaubt, es sei der Gnade Palmons zu verdanken, dass die Welsen nicht vollkommen ausgerottet worden waren. Aber er hatte auch an eine Schlacht geglaubt, an eine Kriegslist und tapfere Kwother, die ihr Leben einsetzten, um den bedrängten Nachbarn beizustehen. Ein Teil von ihm wollte das auch weiterhin glauben.
»Kein Kwother hat die Axt gegen einen Welsen geschwungen in jener Nacht«, sagte Wigo. »Einige sind erstickt am Rauch oder stecken geblieben im glühenden Boden, ganz Welsien war eine einzige glimmende, rauchende, stinkende Esse. Kein noch so nobler Fürst hätte die Welsen vor der totalen Vernichtung bewahren können, dazu war es zu spät. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass wir den siebten Tag der Zehne Asing oder Asli nennen?«
»Wie bitte?«
Die zusammenhanglose Frage verwirrte Felt.
»Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht«, sagte er, »außerdem geben wir im Welsischen den Tagen keine Namen. Wir zählen einfach.«
»Stimmt, das habe ich vollkommen vergessen.« Wigo versuchte vergeblich, mit dem Wirt in Augenkontakt zu treten.»Verflucht sei der Mann, der den Freund verdursten lässt. Entschuldige mich einen Augenblick.«
Er stand auf und drängelte sich vor bis zur Theke. Im allgemeinen Lärm war es nicht möglich zu hören, was Wigo dem Wirt sagte. Was es auch war, es verfehlte seine Wirkung nicht. Das eben noch vor Anstrengung und Hektik gerötete Gesicht des Wirts verlor alle Farbe, blitzartig bekam Wigo zwei Krüge ausgehändigt. Felt versuchte zu verstehen, was an den anderen Tischen gesprochen wurde, aber das schnelle, unsauber dahingesagte Pramsch unterschied sich zu sehr von der deutlichen Aussprache der Schauspieler auf der Bühne und er gab es auf.
»Ich frage mich, wann sie diesen Trottel endlich rauswerfen. Den Wirt meine ich, Felt, sei nicht so verdammt empfindlich.« Wigo setzte sich wieder. »Ich bin auf deiner Seite, falls du das immer noch nicht begriffen hast. Ich bin ein Mann der Kunst, der Wissenschaft, ich interessiere mich für alles, ich liebe die Wahrheit. Ich mag ein lausiger Autor sein, aber ich kann gut lesen, und zwar alle Schriften – pramsch, kwothisch, segurisch, welsisch und noch ein paar andere. Ja, welsisch, du hast richtig gehört. Auch die Welsen haben einige große Autoren hervorgebracht – und alle sind mit ihren Schriften verbrannt. Was heute in der Bibliothek der Hama noch einsehbar ist, lässt ahnen, wie viel damals für immer verloren ging. Es ist eine Schande. Ich schäme mich – auch für das, was wir euch Welsen heute immer noch antun, verstehst du das? Kannst du mir verzeihen?«
Felt nickte. Wigo war bereits ziemlich angetrunken. Felt dagegen rührte seinen Wein nicht an.
Der Übersetzer fuhr fort: »Asing und Asli, genau, dort war ich stehen geblieben. Die Tage der Zehne. Benannt nach den Personen, die an der Feuerschlacht beteiligt waren, Palmon,Horghad, Farsten und so weiter. Und natürlich Asing. Dass Asli genauso gebräuchlich ist, hält man gemeinhin für einen Dialekt, eine Lautverschiebung, eine sprachliche Schlamperei, nenn es, wie du willst. Aber Asli war genauso an der Schlacht beteiligt wie Asing. Sie waren Schwestern. Zwillingsschwestern, um genau zu sein. Sie müssen sich nicht nur äußerlich sehr ähnlich gewesen sein, sondern
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