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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Gittertor machte Wigo halt. Er sagte etwas auf Pramsch, was eine Parole gewesen sein musste, denn es wurde ihnen geöffnet.
    Der Garten, in den sie nun kamen, war wie verzaubert. Über mit feinem Kies bestreuten Wegen reichten die Zweige bizarrer Sträucher wie dürre Arme. Ihre sternförmigen Blüten verströmten einen betäubend süßen Duft. Dunkle, kleinblättrige Büsche waren zu seltsamen Formen und Figuren geschnitten, die bald Menschen, bald Tiere, bald fantastische Flugwesen darstellen sollten. Dazwischen standen auf Podesten reich verzierte Käfige, in denen Vögel gehalten wurden, einige groß wie Hühner und mit langen Schwanzfedern, wildem Kopfputz oder abstehendem Federkragen, andere klein wie Schmetterlinge. Beleuchtet wurde der Garten nicht von den in Pram üblichen roten Flammen und auch nicht von Fackeln, sondern von daumengroßen Leuchtkäfern, gefangen in dünnwandigen Glaskugeln. Die Kugeln hingen in Zweigen, lagen unter Büschen, waren auf Dreifüßen entlang der Wege aufgestellt und die Käfer schienen auf Erschütterungen zu reagieren. Sie pulsten grünin ihren Glasgefängnissen und leuchteten hell auf, sobald die Männer sich ihnen näherten. So schoben die beiden im Gehen eine Welle von blassgrünem Licht vor sich her, die hinter ihnen langsam verebbte. Aus dem Dunkel unter einem riesigen Farn sprang ein Tier hervor und blieb erschrocken mitten auf dem Weg stehen. Etwas Derartiges hatte Felt noch nie gesehen: Das Fell des Tiers war glatt und weiß, schimmerte im Leuchtkäferlicht aber grünlich, und ein zierliches, silbriges Geweih wuchs ihm aus dem schmalen Kopf, der Felt an den einer Ziege erinnerte. Die Augen aber waren rund und dunkel   – und das Tier war höchstens katzengroß. Dieses eigenartige kleine Reh kam ein paar zögerliche Schritte auf die Männer zugetrippelt.
    »Hast du irgendwas Essbares bei dir?«, fragte Wigo.
    »Nein«, sagte Felt.
    Das Katzenreh war noch näher gekommen, schnupperte an seinem Stiefel und blickte Felt mit seinen großen, kohlschwarzen Augen an. Etwas eigenartig Menschliches lag in diesem Blick und Felt hätte sich nur wenig gewundert, wenn das Tier ihn angesprochen hätte. Wigo fluchte und holte seinen Geldbeutel hervor. Er klimperte und das Tier drehte sofort den Kopf. Wigo hielt ihm eine Münze hin, es schnappte danach und sprang wieder in die Büsche.
    »Gieriges kleines Biest«, sagte Wigo ihm nach. »Das war ein Sed!«
    »Es frisst Geld?«
    »Und ob. Hat mich schon ein halbes Vermögen gekostet, lauert jedem auf, der sich in diesen Garten wagt. Manchmal lässt es sich mit Obst oder Brot abspeisen, aber Münzen sind ihm lieber. Und wehe, du versuchst, es zu ignorieren.«
    »Wieso, frisst es dich dann auf?«
    Felt hatte Mühe, sein Lachen zu unterdrücken. Aber Wigo blieb ernst.
    »Viel schlimmer. Es spuckt. Das Zeug kriegst du nie mehr raus. Nun denn, da wären wir.«
    Das musste eines der prächtigen Häuser sein, an denen sie heute vorbeigeritten waren. Sie traten durch weit geöffnete Flügeltüren in die Empfangshalle. Hohe Kerzen in mannsgroßen Haltern erleuchteten die mit romantischen Szenen bemalten Wände. Vorhänge, weiß und fein wie Spinnweben, wehten im Abendwind vor hohen, schmalen Fenstern. Die Halle war mit schwarzen und weißen Steinplatten ausgelegt, eine imposante Treppe führte ins obere Stockwerk. Überall standen Bodenvasen mit üppigen Blumenarrangements und verbreiteten den Duft von Verschwendung und Reichtum.
    Sie wurden erwartet.
    »Mach einfach das, was ich mache, und vor allem: Sei unbesorgt«, sagte Wigo.
    Ein nackter Knabe stand an einem bronzenen, mit Wasser und Blüten gefüllten Becken in der Mitte der Halle. Neben ihm ein zweiter an einer Kohlewanne. Die Männer traten vor sie hin und der erste Knabe fischte eines der im Blütenwasser treibenden Tücher mit einem Holzstab heraus und hielt es Wigo hin. Der nahm es, wrang es aus, wischte sich damit Gesicht und Hände. Felt tat es ihm nach. Dann gab Wigo das Tuch an den zweiten Knaben, der es sogleich auf die glühenden Kohlen warf, wo es kurz zischte, aufloderte und dann augenblicklich zu Asche zerfiel. Nun kamen zwei weitere Knaben langsam die Treppe hinab, einer trug auf einem Tablett lange, mit Goldfäden bestickte Stoffstreifen. Wigo streckte die Hände vor, Felt ebenfalls. Der andere Junge fesselte erst den Übersetzer und dann Felt.
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Sie hat ihre, wie soll ich sagen, Vorlieben. Und sie kann es sich leisten. Spiel einfach mit, ich

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