Zwölf Wasser Zu den Anfängen
übersetzen, Wigo. Und vielleicht fügst du noch an, dass ich für die Einladung danke, aber nun leider gehen muss. Es war ein anstrengender Tag.«
Belendra erhob wieder ihre weiche Stimme. Der schmächtige Mann wimmerte und rutschte auf den Knien herum. Wigo übersetzte und der Mann jammerte noch lauter. Belendra schloss die Augen und läutete. Zwei Knaben erschienen, packten den nun laut schluchzenden Mann bei den Ärmeln und zogen ihn über den glatten Steinboden hinaus. Belendra blieb unbeeindruckt, fütterte ihren kleinen Sklaven und sagte etwas.
»Der Koch, der dich beleidigt hat, Felt, wird bestraft werden. Bevor er entlassen wird.«
Felt hörte Schreie hinter der Tür, aber er zwang sich, den Blick nicht von Belendra abzuwenden. Hier ging es nicht um den Koch. Er versuchte die Handgelenke zu bewegen, aber indiesem Haus kannte man sich aus mit Fesseln, der Knoten war fest, das Band ließ sich nicht lockern.
»Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt«, sagte Felt, »ich werde jetzt gehen. Bemüh dich nicht, Wigo, ich finde schon allein zurück.«
Felt umfasste mit beiden Händen den Schwertgriff und zog Anda ein Stück heraus. Die scharfe Klinge durchtrennte das Band, als wäre es ein Mädchenhaar. Er legte andeutungsweise die Hand aufs Herz und wandte sich zur Tür.
»Wigo!«, hörte er Belendra sagen.
»Felt, ich bitte dich, bleib. Belendra möchte mit dir sprechen.«
Er drehte sich um.
Belendra hatte sich erhoben. Sie war größer, als Felt gedacht hatte, und auch wenn stattlich für gewöhnlich kein Kompliment für eine Frau ist, so musste man in ihrem Fall eine Ausnahme machen.
Belendra streckte einen ihrer wohlgeformten Arme aus und machte eine grazile Geste, die ihre Besucher einlud, ihr zu folgen.
Das Zimmer, das sie nun betraten, war deutlich kleiner und vollgestopft mit Büchern. Achtlos waren sie in deckenhohe Regale gestopft, stapelten sich auf dem Boden, waren auf Stühle gehäuft. Auf einem Tisch lag zwischen Folianten ein flaches Holzkästchen. Belendra legte eine ihrer großen weichen Hände darauf und sprach Felt an. Sie redete nun ohne Pausen und Wigo übersetzte so schnell, dass man den Eindruck hatte, er könne Gedanken lesen.
»Sie sagt: Ich wollte schon immer wissen, ob das, was man über euch Welsen sagt, wirklich wahr ist. Ihr seid stur und stolz, heißt es, und wisst euch nicht zu benehmen. Ihr habt keine Kultur und keine Fantasie. Ihr habt nichts außer eurem Willen,was euch zu schlechten Gesellschaftern macht. So denken die Leute von euch. Und die Leute haben recht. Ihr, Felt, seid ein König unter den Spielverderbern. Aber keine Sorge, Ihr habt mich nicht beleidigt, nein, Euer Betragen passt mir ganz ausgezeichnet. Bleibt, wie Ihr seid! Schwarz und finster. Ihr müsstet Euch sehen, so ein böser, strenger Soldat!«
Sie lachte, tief. Sie fuhr fort und Wigos Stimme begleitete sie.
»Lasst mich offen mit Euch sein: Euer Volk interessiert mich nicht. Von mir aus könnt ihr alle verhungern. Dennoch werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit genau das nicht passiert. Warum? Weil es Kandor missfällt. Alles kuscht, alle tanzen nach seiner Pfeife, aber ich nicht. Die Kaufleute hat er überzeugen können, seine Miliz zu finanzieren. Eine Miliz, die angeblich ihren Besitz schützen soll, ihre Häuser, ihre hübschen Töchter. Alles Lüge. Diese Miliz ist einzig und allein da, um mich in Schach zu halten. Um mich zu kontrollieren. Sie überwachen mich. Ich kann nicht aus dem Haus, ohne dass die Weißhemden Meldung machen. Immer sind sie da und beobachten mich …«
Sie brach ab, Wigo sagte ein paar Sätze auf Pramsch zu ihr. Sie nickte und sprach weiter.
»Belendra sagt: Der Fürst ist schwach, er ist nicht bei sich, weil er einem Rock hinterherjagt, den er nicht lüpfen kann. Er geht in die Berge, tagelang, um zu meditieren. Das behauptet er, aber jedermann weiß, dass er alle möglichen Beschwörungen versucht, segurischen Schnickschnack genauso wie primitive Zauber, er lässt nichts unversucht, um dieses Flittchen, diese Schauspielerin, für sich zu gewinnen. Er kann einem leidtun. Wie auch immer: Fürst Mendron weiß, dass Kandor nicht nur Waffen für seine Soldaten kauft. Nein, er kauft gleich die Soldaten dazu! Mendron ist das bekannt, doch er unternimmt nichts dagegen. Er überlässt alles Sardes. Aber Sardes ist alt und wirdjeden Tag schwächer. Er wird nicht mehr lange genug leben, um Kandor aufzuhalten.«
Sie trat nah an Felt heran, legte ihm ihre schweren
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