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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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gewesen, die er selbst mit seinem Schwert vom Kontinent abgetrennt hatte und die sich immer weiter von der Küste entfernte. Aber das war die falsche Richtung. Das hatte er damals eingesehen und er wusste es auch jetzt: Nicht zum Meer musste er, zum Ende aller Flüsse. Sondern zu den Quellen, zu den Anfängen.
    Es konnte kein Zufall sein, dass ihm bei diesem Gedanken ein zweiter silberner Schimmer ins Auge fiel, deutlich näher als das Meer, aber sehr viel kleiner.
    Smirn.
    Sie stand ungefähr auf Markens Höhe am Fenster eines eckigen Turms, der sich wie eine hochgereckte Faust aus den ihn umgebenden Gebäuden erhob. Sie war zu weit entfernt, als dass Marken ihr Gesicht hätte erkennen können. Aber ihre Haltung, ihr Schimmern, ihre Ausstrahlung   – all das war Smirn, daran gab es keinen Zweifel. Seltsam nur, dass sie sich nicht bewegte. Unaufhörlich gingen die Undae in ihren Schlenkern auf und ab, ruhelos wie fließendes Wasser. Smirn aber stand ganz still.
    Unda ist Vergangenheit. Unda ist verschlossen .
    Was genau hatte dieser Dämon damit gemeint? Markens Panzer der Gelassenheit bekam mehr und mehr Risse, begann zu bröckeln. Er drehte den Kopf nach Hardh. Der hatte seine Augen fest auf die Hohe Frau gerichtet. Wenn er das bereits die ganze Zeit getan hatte   – nicht nur heute, sondern seitdem sie in Jirdh angekommen waren   – und wenn Hardhs Blick auch nur annähernd die gleiche Wirkung auf Smirn hatte wie auf Marken, dann konnte es nicht sehr gut um die Unda stehen.
    »Ich will zu ihr. Ich will sie sprechen!«
    Wieder ertönte das tiefe, hallige Rasseln aus Hardhs Innerem. Er lachte.
    »Unda spricht nicht, nicht mehr. Unda ist verschlossen.«
    Er wandte sich Marken zu, und der hatte mit einem Mal das Gefühl, eine Ofenklappe habe sich geöffnet und sein Gesicht sei nur zwei Handbreit von der Glut entfernt. Schützend hob er die Arme vors Gesicht, doch das half nichts. Die Hitze wurde immer stärker und begann zu schmerzen. Marken stöhnte, biss auf die Zähne.
    »Dein Körper ist stark, Welse. Ich sah viele Wunden. Dein Wille ist mächtig. Aber wenn die Seele brennt, musst auch du aufgeben.«
    Marken kämpfte gegen den Wunsch, auf die Knie zu fallen und sich wie ein Kind am Boden zusammenzurollen, nur um der grässlichen Hitze zu entgehen. Vor seinen Augen tanzten rot glimmende Funken. Und dann schien jemand Marken die Glut aus diesem unseligen Ofen in den Halsausschnitt seines Brustpanzers zu schaufeln. Er spürte, wie sich die glühenden Brocken in seine Haut brannten. Marken schrie auf unter den entsetzlichen Schmerzen, riss mit beiden Händen am Brustschutz, zerrte mit aller Gewalt daran, wand sich unter der Qual.
    Mit einem Mal war es vorbei. Marken fand sich zusammengekrümmt und schweißüberströmt auf dem kalten Steinfußboden wieder. Niemand hatte ihm mit glühenden Kohlen die Brust verletzt, er war nicht angerührt worden und es gab auch keinen Ofen. Der Kwotherkönig stand nach wie vor zehn Schritt entfernt an seinem Fenster und blickte wieder hinaus; die Wachen hatten sich nicht gerührt. Marken rappelte sich auf. Er zitterte am ganzen Körper, schlotterte geradezu. Ihm war nun eiskalt.
    »Du musst das Feuer nehmen, nicht dagegen kämpfen, Welse.«
    Hardh kam einen Schritt auf Marken zu, ihm wurde wärmer. Und nun endlich fiel der Panzer der Gelassenheit von ihm ab und die Furcht griff Marken an. Er wich vor Hardh zurück.
    »Du willst Schwert wiederhaben? Du willst Unda sehen, nar?« Das tiefe Grollen unter Hardhs Worten schwoll bedrohlich an. »Dann musst du dich unterwerfen. Das Feuer ist die Zukunft. Die Herrin kehrt zurück. Sie entzündet die Seelen aller Menschen. Unda dient dem Wasser, Wasser ist Vergangenheit. Die Zukunft ist Feuer.«
    Das Grollen unter seiner eigentlichen Stimme war nun so laut geworden, dass es beinahe die rauen, ungelenken Worte Hardhs übertönte. Marken musste sich zusammennehmen, um nicht die Hände auf die Ohren zu legen in Erwartung eines dröhnenden Donnerschlags. Der Schweiß rann ihm in Strömen übers Gesicht und die Hitze stach wie mit vielen kleinen Nadeln. Aber das war nichts gegen die stählernen Spitzen der Angst, die sich in Marken hineinbohrten.
    »Diene mir, Welse, und bereite die Welt vor auf die Rückkehr der Herrin. Diene mir und ein Welse wird unter Siegern sein   – dieses Mal. Du wirst Sieger sein, wenn die Neue Zeit kommt.«
    Marken überlegte seine Antwort nicht, Angst und Wut überwältigten ihn beinahe.
    »Dir dienen? Niemals! Ich

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