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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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weich und duftete süßlich.
    »Kein Fieber mehr. Du bist auf dem Weg der Besserung, das wird den schwarzen Kämpfer freuen.« Als sie sah, dass Babu wieder den Mund aufmachte, hob sie abwehrend die Hand. »Bemüh dich nicht, ich verstehe nicht, was du sagst.«
    »Aber ich verstehe doch jedes Wort, das du sprichst!«
    Sie legte den Kopf schief, sah ihn interessiert an   – so wie man eine fremdartige Pflanze betrachten würde.
    »Zugegeben: Du klingst vernünftiger als in deinen Fieberfantasien, aber deine Sprache ist und bleibt mir fremd, auch wenn ich weiß, dass du mich verstehst.«
    »Wieso ist dir meine Sprache fremd? Wir reden zusammen! Du lügst doch! So viel Zeit wirst du haben, um mir zu sagen: Wo ist Felt, der schwarze Kämpfer ? Und Reva? Juhut   – wo ist die Szasla, der Falke? Sag es mir!«
    Das Mädchen zuckte die Schultern.
    »Ich muss wieder an die Arbeit. Ihr habt einen schlechten Zeitpunkt gewählt, um uns zu besuchen.«
    »Warte! Wo bin ich? Wo ist Juhut? Bitte!«
    Sie seufzte.
    »Mein Name ist Teleia, falls du danach gefragt hast, und ich kann mich nicht um alles kümmern. Iss jetzt.«
2
    Das kurze Gespräch mit dem Mädchen hatte Babu so angestrengt, dass er nur zwei Schlucke Suppe trank und danach wieder einschlief. Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrich, während er zwischen Traum und Wachheit wanderte. Er glaubte mehrfach, in die blauen Augen des Mädchens zu sehen   – mal lagen Schatten auf ihrem Gesicht, mal strich das Tageslicht darüber. Immer war ihr Ausdruck angespannt und immer roch die Hand süß, die Babu in Suppe eingeweichtes Brot zwischen die Lippen schob. Auch das Brot schmeckte süßlich. Teleia war weder besonders freundlich noch fürsorglich, dennoch war ihre Anwesenheit heilsam. Babus Verstand war zu verwirrt, zu erschöpft, um das zu begreifen. Aber er spürte es. Und er hatte keine Albträume mehr, hörte keine Stimme. Einmal nahm er Flügelschlagen wahr, sah einen Schatten vor dem staubblinden Fenster und das beruhigte ihn. Jedoch tauchten weder Felt noch Reva an Babus Krankenlager auf. Vielleicht waren sie zur Quelle weitergezogen, vielleicht hatte Babu ihren Besuch auch nur verschlafen. Als er sich schließlich erhob, die nackten Füße auf die Dielenbretter setzte, hatte er den Eindruck, eine halbe Ewigkeit in dieser abgeschiedenen Kammer verbracht zu haben. Nun war es genug. Nun wollte Babu endlich wissen, wo er war   – und was da unter ihm ohne Unterlass rumorte.
    Etwas Vergleichbares hatte er noch nie gesehen. Babu stand in einem langen Leinenhemd, das trotz aller Schlichtheit eine weibliche Trägerin besser gekleidet hätte als ihn, am unteren Ende der Leiter zur Dachkammer, und um ihn herum bewegte sich alles.
    Nur fünf Schritte entfernt rollte ein mannsgroßer, zu einer massiven Scheibe gehauener Stein im Kreis über einen gemauerten Sockel. Das wuchtige Steinrad quetschte auf seinem Kreisweg knirschend etwas zu einem klebrigen Brei. Es drehte sich um eine armdicke hölzerne Achse, die wiederum an einer aufrechten, noch dickeren befestigt war. Entlang einer Wand reihten sich mehrere eiserne Bottiche. Unter ihnen brannten kleine Feuer und von oben reichten Stangen hinein und rührten langsam in ihnen wie magische, überlange Löffel. Auch diese Stangen waren mit einer Achse verbunden, die mit Hilfe ineinander verzahnter Räder aus dunklem Holz gedreht wurde. Überhaupt schien alles in diesem großen, vollen, lauten Raum miteinander durch Stangen, Räder und Riemen verbunden zu sein, auch die durch die Decke reichenden Holzbalken, deren oberes Ende Babu schon von seinem Bett aus gesehen hatte. Sie stampften langsam, aber mit Wucht auf und ab. Wie lange Stößel schlugen sie in einen steinernen Trog   – dort hantierte Teleia. Gerade steckte sie einen Keil, beinahe so groß wie sie selbst und offensichtlich sehr schwer, zwischen irgendwelche schmalen Kästen in den Trog. Sie war geschickt und der Keil saß, noch bevor der Balken von oben darauf hämmerte. Eine falsche Bewegung und Teleia wäre erschlagen worden oder ihre Arme zertrümmert. Aber sie war ganz auf ihr Tun gerichtet, beachtete Babu nicht. Die Sicherheit, mit der sie sich zwischen all diesen schweren, ächzenden und polternden Steinen, Rädern und Balken bewegte, hatte eine ganz eigene Anmut. Es war die schlichte Schönheit eines Menschen, der eins war mit seinem Handwerk. Teleia wusste, was sie tat, sie tat es seit Langem, und so anstrengend es war: Sie tat es gern. Babu lächelte, als ihn

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