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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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kann, ein Zauberer war. ›Du also hast meine Schwestern mit dir genommen‹, sagte das Mädchen. ›Aber nein‹, erwiderte der Jägersmann. ›Sie sind ganz freiwillig mit mir gekommen. Willst auch du mit mir kommen? Ich werde für dich sorgen und du musst nichts weiter tun, als mir eine Nacht von drei Nächten zu Diensten sein. Die andere Zeit hast du für dich.‹ – ›Ich glaube, du sagst nicht ganz die Wahrheit. Ganz freiwillig sind sie nicht mit dir gekommen. Auch ich gehe nicht ganz freiwillig mit dir mit, denn wenn ich meine Schwestern wiedersehen will, dann muss ich ja mit dir kommen.‹ Der Jägersmann lachte, ein solches Mädchen war ihm noch nicht begegnet. ›Du sollst außerdem wissen, dass ich dir nicht eine Nacht von drei Nächten zu Diensten sein werde‹, sagte das Mädchen noch. Aber der Jägersmann war so mit Lachen beschäftigt und sich seiner Überzeugungskraft zudem so sicher, dass er nichthörte, was das Mädchen sagte. Er führte das Mädchen zu seinem Haus, das in einem Teil des Waldes lag, in dem es noch nie zuvor gewesen war. Hier kannte das Mädchen die Bäume nicht mehr und es hatte das Gefühl, alles um das Haus herum sei in einem tiefen Schlaf gefangen. Kaum ins Haus eingetreten, sperrte der Jägersmann das Mädchen in eine Kammer, drehte den Schlüssel dreimal im Schloss herum und sagte: ›Nun hast du, wie ich dir versprochen habe, deine Zeit für dich.‹ Das war niederträchtig, aber die mittlere Tochter hatte nichts Gutes von dem Jägersmann erwartet und blieb deshalb gefasst. Sie lauschte darauf, dass er das Haus verließ, dann rief sie nach ihren Schwestern. ›Hier bin ich‹, antwortete die ältere von einer Kammer nebenan. ›Und ich bin hier‹, tönte es von der jüngeren Schwester auf der anderen Seite. ›Wo verwahrt er den Schlüssel?‹, fragte die Mittlere. ›Über dem Kamin‹, sagte die Jüngere. ›Kannst du bis dort hinaufreichen?‹, fragte wieder die Mittlere. ›Aber ja!‹, sagte die Jüngere. Darauf lachte die Mittlere, denn sie hatte genau gehört, dass das gelogen war. Dennoch zweifelte sie nicht daran, dass die Jüngere schon einen Weg finden würde, den Schlüssel zu erreichen. Denn die war, wie schon erwähnt, sehr mutig und gewitzt. Nun aber besprachen die Schwestern, wie sie es anstellen könnten, aus den Kammern freizukommen. Alle drei auf einmal, das würde kaum gelingen. Aber dass die Zurückgebliebenen unter der Flucht zu leiden hatten, gar bestraft würden, das durfte auch nicht sein. Am Abend, als der Jägersmann wieder nach Hause kam, brachte er einen Hasen zum Essen mit. Er schloss die Kammer der Jüngeren auf und sagte: ›Bereite uns das Abendessen.‹ – ›Sehr gern‹, sagte die Jüngere, die noch ein Kind war. ›Aber für einen guten Hasenbraten brauche ich ein gutes Feuer. Geh und hol mehr Holz!‹ Das tat der Jägersmann und war voller Vorfreude auf den Braten und auf alles, was danach noch kommen sollte. Während er nun draußen das Holz holte, stieg die Jüngere auf einen Stuhl, langtenach dem Schlüssel über dem Kamin und schloss geschwind die Kammer der Mittleren auf. Gerade hatte sie den Schlüssel wieder zurückgehängt, da kam der Jägersmann mit dem Holz. Sie hatte keine Gelegenheit mehr, den Stuhl wieder an den Tisch zu rücken, also setzte sie sich einfach drauf. ›Was tust du denn da?‹, fragte der Jägersmann und blickte misstrauisch mit seinen schwarzen Augen umher. Aber der Schlüssel hing am Haken, wo er hängen sollte. ›Mir war so einsam und bang, als du aus dem Haus gegangen bist‹, log die jüngere Schwester. ›Da habe ich mir den Stuhl ans Feuer gerückt, damit es mich tröstet.‹ Das nun fand der Jägersmann so lieb und rührend, dass er den Schlüssel ganz vergaß. Die Jüngere bereitete das Essen und anschließend war sie in ihrer Kammer dem Jägersmann zu Diensten. Die Mittlere, die alles mit anhören musste, weinte währenddessen um die Unschuld ihrer jüngeren Schwester. Als er endlich fertig war, schloss er die Jüngere wieder ein mit den Worten: ›Nun hast du, wie ich dir versprochen habe, deine Zeit für dich.‹ Dann legte er sich schlafen. Da aber lief die Mittlere zum Kamin, holte den Schlüssel und befreite die Jüngere. Sie umarmten sich und die mittlere Schwester sagte: ›Lauf nach Hause und hab keine Angst im Wald. Sag nur immer diesen Vers vor dich hin:

    Eins und zwei und drei mal drei
    ein Stamm, ein Ast, ein Rabenei.
    ’s war nur ein Traum, es ist nicht wahr –
    von Baum zu Baum,

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