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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Strommed gesehen, dessen Brust so weit aufgerissen war, dass sein Herz frei lag. Es war ein großes Herz und es war ruhig.
    »Er hat keine Schmerzen gehabt«, hatte Smirn gesagt, »und auch keine Angst. Mehr konnte ich nicht für ihn tun. Er ist gestorben als der, der er war.«
    Marken aber hatte Schmerzen gehabt. Die schlimmsten seines Lebens. Sie überfielen ihn, schienen ihm das Gesicht abzureißen in dem Moment, als er den Blick von seinem toten Kameraden abwandte.
    Mittlerweile ging es besser; gut eine Zehne war seit dem Kampf mit Ormn vergangen. Die steinharte Blutkruste auf Markens Gesicht   – eine grausige Maske, die ihm glühende, hasserfüllte Albträume in die Seele drückte   – war abgefallen. Und die wunde Haut darunter begann zu vernarben. Marken war nie dem Irrtum aufgesessen, ein besonders gut aussehender Mann zu sein. Aber nun war sein Äußeres abstoßend; der Schädel kahl, das Gesicht zur Hälfte rot und schrundig, das linke Auge trüb und tränend. Wer Marken ansah, musste eine Hürde überwinden, um ihn zu erkennen. Zum zweiten Mal war Marken in die Untiefen seiner Seele hinabgestiegen und hatte seine Menschlichkeit abgelegt. Ein Unmensch hatte den Tod über seine Frau Asta gebracht. Und es war ein Unmensch gewesen, der den Dämon getötet hatte. Marken war zwar wieder Mensch geworden, beide Male, aber er hatte Wunden davongetragen, unsichtbare und sichtbare. Er hatte nicht lange darüber nachdenken müssen, was Er ist gestorben als der, der er war bedeutete. Strommed war als Mensch gestorben. Er war schwer verletzt worden und dennoch unversehrt in die andere Welt gegangen.
    Nun aber grübelte Marken über etwas anderes nach: das Brennen von Stein. Smirn hatte das nicht nur so dahergesagt, sie machte niemals eine gedankenlose Bemerkung. Aber er fragte nicht nach, sondern konzentrierte sich auf seine Schritte. Aus Kringeln und schwarzen Linien auf dem Pergament einer Karte war endlich die Wirklichkeit geworden   – wenn auch eine verschwommene, kaum erkennbare. Sie waren am Fluss und kämen auch bald an seine Quelle. Es war eine der Zwölf. Markens Herz schlug schneller, nicht nur wegen der Anstrengung. Der Weg zur Quelle war steil, aber nicht verborgen. Neben der raschen, klaren Globa verlief ein Pfad; wo es nötig war, waren Stufen in den Fels getrieben worden. Das kam Marken in seinem angeschlagenen Zustand zwar entgegen, vergrößerte aber seine Sorge. Die Quelle war leicht zugänglich und über ihr hing schwerer Rauch. Und dies alles zu einer Zeit, in der Dämonenkrieger die Äxte erhoben. Marken versuchte, sein tränendes Auge zuzukneifen, aber es gelang ihm nicht.
    Verborgen war die Quelle zwar nicht, aber ganz so leicht zugänglich, wie Marken es befürchtet hatte, war sie auch nicht. In den Fels und über den Fluss war ein niedriger Turm gebaut   – kantig, abweisend und massiv wie alle kwothischen Bauten. Talwärts saß der Turm auf einer von einer brusthohen Mauer begrenzten Terrasse, unter der die Globa zwischen Gittern hervorsprudelte. Die Rückseite des Gebäudes wuchs mit der Bergflanke zusammen. Von hier aus war es noch ein gutes Stück bis zum Gipfel, hinter dem die dunkle Rauchsäule aufragte wie ein riesiger, leicht nach links geneigter Baumstamm. Es war windstill, das Tosen der Globa war das einzige Geräusch.
    Smirn trat durch einen schmalen Durchlass in der Mauer auf die Terrasse. Marken folgte, das Schwert in der Faust. Erwar nicht in der Lage zu kämpfen und würde es trotzdem tun, wenn es nötig wäre. Die Unda ging rasch an vergitterten, engen Fensterschächten vorbei auf ein massives, eisenbeschlagenes Holztor zu, drehte den großen Knauf, drehte wieder. Ein totes, metallisches Klicken war die Antwort. Das Tor war verschlossen. Mit einem tiefen Seufzer wandte sie sich ab und legte ihr Gesicht in die Hände. Dieser Ausdruck des Kummers hätte Marken bei jedem Menschen gerührt. Bei Smirn aber jagte er ihm Angst ein.
    »Was ist mit der Quelle?«, fragte er heiser.
    Smirn antwortete nicht.
    »Was ist mit dem Hüter? Ist er da drin?«
    Smirn reagierte nicht. Marken steckte das Schwert weg, reckte den Hals und spähte durch die Gitterstäbe.
    Im Innern war es schummrig, nur wenig Licht fiel durch die schmalen Fensteröffnungen. Aber in der Mitte des ansonsten leeren Raums stand eine Gestalt in einem Lichtkegel. Marken legte eine Hand auf sein trübes Auge, damit er sich besser auf das konzentrieren konnte, was sein gesundes Auge sah. Ja, kein Zweifel: In voller,

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