Zwölf Wasser
sie bald eine gehörige Anzahl gefangen.
»Nimm dich in Acht vor den Scheren«, sagte Babu, griff einen Krebs am länglichen Brustpanzer und drehte ihn um. »Sind zwar nicht groß, können aber ordentlich zwacken.« Das Tier krümmte den Schwanz, ruderte mit seinen dünnen Beinen und die Scheren schnappten wütend durch die Luft. Babu zog seinen schwarzen Welsendolch.
»Hier über dem ersten Beinpaar setzt man an und sticht zu. Dann ist gewissermaßen der Kopf ab und der Krebs ist tot. Trotzdem bewegt sich der Schwanz meist noch etwas, das soll uns nicht stören. Man bricht dann so den Rumpf vom Schwanz ab, drückt ihn ein wenig zusammen, dann so wieder auseinander, reißt die Beine ab – und kann den Panzer abstreifen.«
Babu ließ die Schale fallen und warf sich das Krebsfleisch in den Mund.
»Dann die Scheren, die kann man auch knacken.« Er tat es. »Und zum Schluss das Beste, das sind seine Innereien, glaube ich. Vielleicht auch das Gehirn. Schmeckt etwas tranig, aber gut.«
Babu saugte das Bruststück des Krebses aus und reichte Felt dann ein strampelndes und schnappendes Exemplar.
»Jetzt du.«
»Danke.« Felt hob seine verkrüppelte Hand und grinste. »Du hast mir das wirklich gut erklärt, Babu. Aber um kleine, zappelnde Dinge zu schälen, fehlt mir … die Geduld.«
Babu nickte lächelnd und stach dem Krebs mit der Dolchspitze in die Unterseite.
»Der Falke frisst die Krebse im Ganzen«, sagte Felt, während er Babu beim Schälen zusah und spürte, wie sich der Speichel in seinem Mund sammelte.
»Ja, und was er nicht verdauen kann, wird er wieder herauswürgen. Glaub mir, ich kenne das. Hier, versuch mal.« Er reichte Felt das grauweiße, glasige Krebsfleisch.
»Versteh mich nicht falsch«, sagte Felt und schluckte. »Ich bin nicht wählerisch, erst recht nicht jetzt, und von gutem Essen habe ich auch keine Ahnung, aber besonders lecker finde ich das nicht.«
Babu lutschte an einer Krebsschere.
»Sind ja auch roh. Aber wir haben kein Feuer.«
Er breitete die Arme aus in einer Geste, die anzeigen sollte, dass es hier keine Bäume gab, also auch kein Holz für ein Feuer. Felt griff in die Tasche und holte einige Stücke bröckliges, leichtes Holz hervor.
»Und was ist mit dem hier? Das ist doch Holz?«
»Das hatte ich vollkommen vergessen. Das ist Holz, ja. Von diesem riesigen Baum, den ich erst für einen Berg gehalten habe … dessen Äste bis hinein in das Wolkenmeer reichten. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, eigenartig … Reva?«
Die Unda hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und stand bis zu den Knien im Wasser. Sie lauschte auf das, was der Fluss ihr erzählte, und nicht auf das, was die Männer redeten. Babu zuckte die Schultern.
Felt kramte in der Tasche nach dem Rest Zunder, schlug die Feuersteine zusammen und entzündete einige Holzstücke. Sie fingen sofort Feuer.
»Jetzt erinnere ich mich: Dieses Holz brennt sehr gut – jedenfalls viel besser als Kafurdung.«
»Es brennt auch besser als jedes andere Holz, das ich kenne«, sagte Felt. »Also: Her mit den Krebsen.«
7
»Ich kann dort nicht hinein, es ist zu eng. Wohin ich den Kopf auch wende, da ist nur Fels, von oben kaum ein Lichtschein. Es ist dunkel, nass und kalt dort. Ich kann nicht!«
Babu schüttelte den Kopf so heftig, dass die langen Haare flogen. Felt hielt sich aus dieser Diskussion heraus und hatte sich auf einem runden Felsbrocken niedergelassen. Der Stein war warm, es musste um die fünfte Stunde sein. Der Bogen der Sonne verflachte aber Tag um Tag: Der Lendern ging zu Ende. Der Gedanke kam mit einer sanften Wehmut daher. Schon immer hatte Felt, wenn wieder ein Solder vorbei war, eher eine leichte Trauer verspürt als Vorfreude auf ein neues empfunden. Er hing eben am Gestern und war schlecht darin, Dinge loszulassen. Mit Bedauern dachte Felt an den Helm, den er, von Sinnen vor Hunger, irgendwann ausgezogen haben musste und in den Nebeln der Schleierfelder verloren hatte. Es war schon der zweite, der ihm auf der Reise abhandenkam. Dieser hatte dem treuen Gerder gehört und Felt hatte dem von den Wölfen getöteten Kameraden versprochen, ihm den Helm zurückzugeben, wenn sie sich beide in der anderen Welt wiederbegegnen würden. Sein Versprechen nicht halten zu können tat Felt leid; es war schlimmer, als unvollständig gerüstet zu sein.
»Du wirst dort hinein müssen«, sagte Reva gerade zu Babu und ihre ruhige Stimme holte Felt aus seinen Gedanken. »Wir müssen durch die Ubid Engat, um
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