Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
und wärmende Hüllen für die Hände. Aus Flintstein schlug sie sich grobes Werkzeug heraus und sammelte Gras, um ihre Lagerstatt weicher zu machen.
Die Wiesengräser boten Nährendes; ihre Ähren waren voll von Samen und Körnern. Ringsum im Wald gab es Nüsse, Preiselbeeren, kleine harte saure Äpfel, mehlige Wurzeln und eßbare Farne. Die kleinen, runden Früchte, die sie in den grünen Schoten der Vogelwicken fand, mischte sie mit den zerstampften Körnern und kochte sie zu einem Brei. Es gab viel Nährendes, doch nun musste sie sich alles selber holen.
Und bald wurde Ayla auch klar, dass sie einen neuen Pelzumhang brauchte. Zwar hatte der grimmige Winter sich noch nicht gezeigt, doch es wurde merklich kälter, und Ayla wusste, dass der Schnee nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Zunächst war ihr der Luchs in den Sinn gekommen. Der Luchs hatte eine besondere Bedeutung für sie. Doch sein Fleisch würde nicht genießbar sein, und Nährendes war für sie so wichtig wie ein wärmender Pelz. Auch musste ein Vorrat angelegt werden für die Zeit, wenn der Schnee sie in der Höhle halten würde. Und sie jagte nur noch und versorgte sich mit Fleisch.
Sich vorzustellen, eines der sanftblütigen, scheuen Geschöpfe töten zu müssen, die früher so lange die Stille und Einsamkeit ihrer Zuflucht geteilt hatten, war für Ayla qualvoll. Auch war sie sich nicht sicher, ob man ein Reh mit einer Schleuder erlegen konntte. Als sie das kleine Rudel sah, war sie überrascht, dass die Tiere doch noch so hoch herauf kamen, und sie wusste, dass sie die Gelegenheit nutzen musste, so weh es ihr auch tat. Aus kurzer Entfernung schleuderte sie ab, und eines der Rehe brach in die Knie. Ein Schlag mit der Keule. Ayla atmete auf.
Das Winterfell des Tieres war dicht und weich, und das Fleisch war zart. Einen Vielfraß, den der Geruch zu gierig gemacht hatte, tötete sie mit einem flinken Stein. Wie sie ihn so liegen sah, fiel Ayla ein, dass es ein solches Tier gewesen war, das sie mit der Schleuder als erstes getötet hatte. Ein Vielfraß, der den Clan-Leuten Fleisch entwendet hatte. Vielfraße, hatte sie damals Oga erklärt, haben auch ihr Gutes. Ihr Pelz wurde nicht hart und steif, wenn in kalter Luft warmer Atem ihn traf. Besonders gut eignete er sich für Kopfbedeckungen. Diesmal mache ich mir aus seinem Pelz eine Mütze, beschloß sie, während sie das tote Tier zur Höhle schleifte.
Rund um das in Streifen geschnittene Fleisch, das sie zum Dörren ausgelegt hatte, zündete sie Feuer an, um reißende und aasige Tiere abzuschrecken, und um es schneller haltbar zu machen. Ayla mochte den Geschmack, den das Fleisch durch den Rauch annahm. Hinten in der Höhle grub sie eine flache Mulde und legte sie mit Steinen aus. Später wurde sie dort das gedörrte Fleisch aufschichten und alles mit schweren Steinen umbauen.
Ihr neuer Pelz, den sie schon bearbeitet hatte, roch nach Rauch; er war warm, und zusammen mit dem alten Fell machte er die Schlafmulde angenehm weich. Sie hatte den Magen des Rehs gesäubert und ausgewaschen und zu einem Wasserbehältnis umgearbeitet; Sehnen und Flechsen lieferten Schnüre. Das Fett ließ sie aus und verwahrte es. Solange das Fleisch zum Dörren noch im Freien lag, schaute Ayla öfters ängstlich zum Himmel und hoffte, dass der Schnee noch ausbleiben möge. Und nachts schlief sie draußen an den Feuern, um immer wieder Holz nachlegen zu können. Erst als das Fleisch gelagert war, wurde ihr leichter ums Herz.
Bangnis überfiel sie, als dichte Wolken den Mond verhüllten. Es stand ihr noch vor Augen, was Brun verkündet hatte: „Gestatten dir die Geister, aus dem Jenseitigen zurückzukehren, wenn der Mond all seine Wandlungen vollzogen hat und uns wieder sein Antlitz zeigt, mit dem er uns heute nacht bescheint, dann sollst du wieder unter uns leben.“ Ayla hatte keine Ahnung, ob sie sich schon im Jenseitigen befand. Sie wusste nur, dass sie da nicht hin wollte. Sie wollte zurück. Zwar war sie nicht sicher, ob sie wirklich zurück konnte und ob die anderen sie sehen würden, wenn sie zurückkehrte. Doch Brun hatte versprochen, dass sie wieder unter den Clan-Leuten leben dürfte, wenn es ihr gelänge. Und daran klammerte sie sich. Er hatte es versprochen. Wie aber sollte sie wissen, wann sie zurückkehren konnte, wenn die Wolken das Antlitz des Mondes verdeckten?
Ein ferner Tag wurde lebendig und stieg vor Aylas Augen auf, der Tag, an dem Creb ihr gezeigt hatte, wie man die Zeit festhalten konnte. Man
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