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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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Sicherheit sterben. Es war ihr ja auch kaum Zeit geblieben, ausreichend Vorrat anzusammeln, um einen Mond durchzuhalten. Niemals hätte sie bis zur Schneeschmelze aushalten können. Was mochte Brun nur dazu bewegt haben, sie nicht auf immer zu verfluchen? Hätte sie wirklich zurückkehren können, wenn sie selbst in die Welt der Geister hinübergegangen wäre und nicht ihr Totem statt ihrer? Woher nahm sie denn die Gewißheit, dass ihr Geist nicht fortgegangen war? Könnte es nicht sein, dass ihr Totem ihren Körper beschützte, während ihr Geist fortging? Nichts war gewiß. Und sie wusste nichts, nur das eine, dass sie unrettbar verloren wäre, wenn Brun sie für immer verflucht hätte.
    Ayla hatte wieder das Kinn zwischen die Knie genommen. Hatte Brun vielleicht ihre Rettung gewollt? Wie ein Blitz durchzuckte sie dieses Erkennen. Bruns Wille war reinen Herzens gewesen, als er ihr vor allen dankte, dass sie Brac das Leben bewahrt hatte. Er musste sie verfluchen. Das Gebot des Clans verlangte es. Doch er hatte ihr eine Aussicht auf Rettung geben wollen. Ich weiß nicht, ob ich tot bin, dachte Ayla wieder. Kann einer essen und schlafen und atmen, wenn er tot ist? Ihr Herz gefror, als sie den Sinn des Clan-Gebots erkannte. Ich glaube, wenn einer verflucht ist, dann will er gar nicht mehr essen und schlafen und atmen. Und ich weiß auch, warum. Mit dem Zeigefinger rieb sie an der Nase und ließ ihn dort, genau zwischen den Brauen. Was aber hat mich dann getrieben, weiterzuleben? Es wäre so leicht gewesen, zu sterben, als sie aus der Höhle stürzte. Sie hätte nur liegenbleiben müssen. Wenn Brun nicht versprochen hätte, dass ich zurückkehren kann, so fragte sie sich weiter, wäre ich dann wieder aufgestanden? Wenn die Geister es gestatten, hatte Brun gesagt. Welche Geister? Meine? Die meines Totems? Ayla schüttelte ratlos den Kopf. Ganz gleich, irgend etwas musste sie bewogen haben, überleben zu wollen.
    Ayla brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass sie wach war, und selbst dann musste sie die Finger an ihre Augen führen, um sich selbst zu überzeugen, dass sie geöffnet waren. Das dichte. stickige Dunkel der Höhle hatte sie umschlossen. Mühsam unterdrückte sie einen Schrei. Ich bin tot! Brun hat mich verflucht. Nun bin ich tot. Ich werde niemals wieder Licht sehen, niemals hier herauskommen, niemals zur Höhle zurückkehren. Es ist zu spät. Die bösen Geister haben mich getäuscht und geblendet. Sie haben mich glauben lassen, ich wäre noch am Leben. Doch ich bin tot. Sie waren voll Zorn, dass ich unten am Bach nicht mit ihnen gehen wollte, und haben mich bestraft dafür. Sie haben mich glauben lassen, ich wäre am Leben, und die ganze Zeit war ich schon tot. Angstvoll umklammerte Ayla ihr Amulett.
    Es war ein schlimmer Schlaf gewesen. Immer wieder war sie aufgewacht, gepeinigt von den gräßlichen Bildern böser Geister, von Luchsen, die sie ansprangen und plötzlich zu Höhlenlöwen wurden. Sie hatte von Schnee geträumt, der auf den Bäumen lag und schmolz und dann rot wurde wie Blut. In der Höhle hing ein dumpfiger Geruch; doch dass sie ihn wahrnahm, verriet ihr, dass ihre Sinne noch wach und lebendig waren, auch wenn sie nichts sehen konnte. Ayla fuhr hoch und schlug mit dem Kopf gegen den Felsen.
    Ihr Stock? Wo war ihr Stock? Es war doch schon dunkel, und eine Kerbe musste wieder hineingehauen werden. Ayla kroch in der Dunkelheit herum und tastete verzweifelt nach dem Kerbholz, als wäre es das Wichtigste in ihrem Leben. Es war an der Zeit, es mit einer neuen Kerbe zu zeichnen. Aber wie das tun, wenn es nicht zu finden war? Oder hatte sie die Kerbe schon gemacht? Wie war denn festzustellen, ob sie heimkehren konnte, wenn sie das Holz nicht fand? Brauchte sie den Zeitstock überhaupt noch? War die Zeit nicht schon um? Ayla schüttelte den Kopf und versuchte, die Nebelschleier zu vertreiben, die sie am Denken hinderten. Ich kann heimkehren! Jetzt wusste sie es. Die Zeit ist um. Aber sie war doch tot. Und es würde nie aufhören zu schneien. Es würde immer weiter schneien, immer weiter, und der Schnee würde immer höher liegen. Der Stock, der andere, oben am Einschlupf! Ich muß nach dem Schnee sehen!
    Wie ein Maulwurf kroch Ayla in der Höhle herum, stieß hier an und dort, hustete, der Hals wurde ihr trocken, die Augen tränten, schließlich erreichte sie aber den Einschlupf. Und als sie dort angelangte, sah sie über sich, weit oben, einen schwachen Lichtfleck. Ihr Stock, er musste dort oben

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