Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
rotgefleckte Gesicht das Clan-Führers vor sich auftauchen sah, unterdrückte sie mit Mühe einen Schrei.
"Wehr dich nicht! Mach keinen Laut!" bedeutete ihr Brun.
Und als sie das Mädchen fast vom Boden hoben, um es fortzuzerren, erstarrte sein Körper.
Die Männer waren verwirrt, als sie Brun und Goov mit dem Mädchen kommen sahen. So wenig wie den Frauen war ihnen der Grund der Feier bekannt, die Brun und der Mog- ur vorbereitet hatten. Immerhin wussten sie aber, dass ihre Neugier bald befriedigt werden würde. Nachdem sich alle im Kreis hinter den Steinen, die aus der Zauberstätte herbeigeschleppt worden waren, niedergelassen hatten, warnte sie der Mog- ur, sich nicht zu bewegen und keinen Laut von sich zu geben. Grollend befahl ihnen der Mog-ur, indem er jedem der Männer zwei lange Knochen von den Gebeinen des Höhlenbären reichte, sie zu kreuzen und vor den Körper zu halten. Große Gefahr musste im Verzug sein, wenn so mächtiger Schutz vonnöten war. Eine Ahnung, welcher Art die Gefahr war, dämmerte ihnen, als sie Ayla erblickten.
Brun hieß das Mädchen sich an dem freien Platz im Kreis unmittelbar gegenüber dem Mog- ur niederzulassen, und hockte sich dann hinter sie. Auf ein Zeichen des Zauberers nahm Brun dem Mädchen die Binde von den Augen. Ayla zwinkerte mit den Lidern, um klaren Blick zu bekommen. Im Schein der Fackeln konnte sie den Mog-ur sehen, der hinter dem Schädel eines Höhlenbären kauerte, und die Männer, die mit starren Händen Knochenkreuze vor ihren Körpern hielten. Voller Furcht zog sie den Kopf tiefer zwischen den Schultern und duckte sich noch weiter zusammen.
Was habe ich getan? Ich habe keine Schleuder angerührt, dachte sie und zerbrach sich den Kopf, welch schweres Vergehen sie an diesen Ort gebracht haben könnte. Doch nichts fiel ihr ein.
"Rühr dich nicht. Mach keinen Laut", warnte der Mog-ur auch sie mit strenger Gebärde.
Ayla war wie versteinert. Aus weit aufgerissenen Augen sah sie zu, wie der Zauberer sich hochzog, seinen Stock weglegte, seinen Arm hob, den Großen Bären und die Geister der Toteins anrief, ihnen ihren Schutz zu gewähren. Viele der verschlungenen und gewundenen Zeichen waren ihr unbekannt, doch Ayla verfolgte die heiligen Gebärden mit gefesselter Aufmerksamkeit. Doch sah sie weniger die Bedeutung der Zeichen als den Zauberer selbst.
Sie kannte Creb; sie kannte ihn gut. Für sie war er ein krüppliger alter Mann, der sich nur hinkend fortbewegen konnte und sich bei jedem Schritt schwer auf den Stock zu stützen hatte. Er war das Zerrbild eines Mannes. Die eine Körperseite bresthaft, verwachsen, faltig; die andere, die lebte, kraftvoll und behende.
Schon früher war ihr die geschmeidige Anmut seiner Bewegungen aufgefallen, wenn eine Hand die heiligen Gebärden formte. Nun aber zeigte sich ihr dieser Zauberer, hoch aufgerichtet hinter dem Schädel des Bären stehend, von einer Seite, die sie nie gekannt hatte.
Fort waren da jegliche Behinderung und Schwere körperlichen Mangels. Wie traumhaft wiegender Tanz muteten des Mog- urs beredte Gebärden an, die in den Körper hinüberflossen. Doch der Mog-ur war kein Tänzer. Der Mog- ur war ein Künder, der wusste, wie man eindringlich zu schildern hatte. Nie war dieser Mog-ur, der Magier, kraftvoller und gewaltiger in seiner Fähigkeit sich auszudrücken, als wenn er mit den Unsichtbaren Zwiesprache hielt, die ihm manchmal näher waren als die Erdlinge, die vor ihm saßen. Und noch mächtiger zeigten sich die Zeichen des Zauberers, als er sich an die Ahn-Geister wandte, die er zu dieser Feier, die ihresgleichen im Clan nie gehabt hatte, herbeizurufen wünschte.
"Ahn-Geister, unsichtbare Mächte, die seit dem nebelhaften Ursprung unseres Seins nicht mehr gerufen wurden, schaut auf uns herab und kommt zu dieser Stätte. Wir flehen euch an. Wir ehren euch und bitten, uns beizustehen und zu schützen. AhnGeis ter! Ihr seid so alt, dass eure Namen nur wie ein Flüstern durch die Zeiten schweben. Erwacht aus eurem tiefen Schlaf, damit wir euch ehren können. Wir haben für euch eine Opfergabe, eure Herzen froh zu stimmen. Seid milde und gnädig und schaut auf uns herab."
Der Mog-ur senkte die Hand, legte sie, zur Faust geballt, auf sein Herz, senkte den Kopf auf die Brust und blieb wie versteinert stehen. Dann stieß er plötzlich die Rechte in die Luft und rief die Unsichtbaren herbei: "Geist des Windes, Uuha!" Ayla rann ein eisiger Schauder über den Rücken, als der Mog- ur den Namen hervorstieß.
"Geist des
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