Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
jetzt gestattet er ihr, zu jagen wie ein Mann. Wieso? Broud schaute zum Clan-Führer. Aber Brun wird alt, dachte er. Eines Tages wird er nicht mehr der Clan-Führer sein, sondern ich werde es sein. Und dann werden wir sehen. Dann kann sie sich nicht mehr unter seine Fittiche flüchten. Dann werden wir sehen, ob sie nicht das bekommt, was sie schon längst bekommen sollte.
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In dem Winter, der ihr zehntes Lebensjahr einleitete, wurde Aylas Körper fraulicher. Iza verspürte Freude und Erleichterung, als sie die ersten Zeichen äußerlichen Wandels an dem Mädchen wahrnahm. Ihre Hüften wurden breiter und ihrer Brust wuchsen zarte Hügel. Also war sie doch nicht dazu verdammt, bis an ihr Ende ein Kind zu bleiben.
Ayla hatte begriffen, dass sie wohl niemals ein Kind würde haben können. Ihr Totem war zu mächtig. Trotz alledem wollte sie ein Kind. Seit dem Tag, an dem Iza Uba geboren hatte, wollte sie, dass ihrem Körper sich ein Kind entringe, dem sie Wärme, Nährendes und Schutz geben konnte. Doch sie fand sich darein und fand Freude daran, sich um die Säuglinge und Kinder im Clan zu kümmern, wenn die Mütter zu sammeln und zu werkeln hatten. Aber stets stieß es ihr bitter auf, wenn sie sah, wie die Leiber anderer Frauen schwollen.
Mit Ovra, deren Schicksal dem ihren nahekam, fühlte Ayla sich tief verbunden. Auch Ovras Totem ließ sich nicht bezwingen. Es schien der jungen Frau beschieden, die jetzt schon viermal fehlgeboren hatte, kinderlos zu bleiben. Zwischen beiden hatte sich seit der Mammutjagd eine warme Freundschaft entwickelt. Ovra, die Stille, war niemals sehr mitteilsam, doch zwischen Ayla und ihr wuchs ein beiderseitiges Verstehen, das zu warmer Vertrautheit reifte, in die nach und nach auch Goov mit eingeschlossen wurde. Allen war die Zuneigung, die Goov und seine Gefährtin verband, offensichtlich. Um so größer war das Mitleid. Alle wussten sie, dass Ovras Verlangen nach einem Kind besonders brennend war, um ihrem Gefährten, der ihr mißliches Geschick mit sanfter Nachsicht hinnahm, dankbar sein zu können.
Oga hingegen ging schon wieder mit einem Kind; zu Brouds Stolz, der sich verhielt, als hätte er es selbst gemacht. Ihr Schoß war so fruchtbar wie der von Aga und Ika. Unterdessen wuchs in Droog das sichere Gefühl, dass aus Groob, Agas kleinem Sohn, doch noch der Werkzeugmacher werden würde, den er sich stets gewünscht hatte. Und Igra verhieß so gesellig und umgänglich zu werden wie Ika, ihre Mutter. Brun brauchte keine Sorge zu haben, dass der Clan verkümmerte. Er wuchs und gedieh.
Als dann der Schnee geschmolzen war und erstes Grün aufschoß, musste Ayla gemäß dem Brauch den Clan für die Tage verlassen. Diese Zeit der Verbannung durch den Frauenfluch verbrachte sie hoch oben in ihrer kleinen Höhle. Obwohl es ihr keine große Mühe machte, sich mit Nährendem zu versorgen sie zog oft mit ihrer Schleuder aus -, sehnte sie dennoch die täglichen Treffen mit Iza herbei, unweit der ClanHöhle, die ihr nicht nur zu essen und zu trinken brachte, sondern tröstend ihre Einsamkeit teilte. Noch immer hatte Ayla Angst vor den Nächten, die sie hier wieder allein verbringen musste.
Häufig blieben sie bis nach Einbruch der Dunkelheit beisammen, und Ayla musste dann einen Kienspan anzünden, um zu ihrer Bergwiese zurückzufinden. Da Iza niemals die ablehnende Scheu vor Aylas Fellumhang überwand, den sich die junge Frau gemacht hatte, während sie tot gewesen war, ließ diese ihn hinfort in der kleinen Höhle zurück. So, wie andere junge Frauen von ihren Müttern, erfuhr Ayla von Iza alles, was eine Frau zu wissen hatte. Iza gab ihr die Streifen aus weichflauschiger Tierhaut, die zwischen die Beine zu binden waren, und zeigte ihr, welches Zeichen sie machen musste, wenn sie die besudelten Binden in der Erde vergrub. Auch erklärte sie Ayla, was zu tun war, wenn ein Mann auf sie Lust hätte. Denn Ayla hatte endlich ihre Tage und war zu einer Frau geworden und musste auf alles vorbereitet werden, was von einer jeden Clan-Frau verlangt wurde.
Auf etwas allerdings ging Iza überhaupt nicht ein: Ob Ayla einen Mann in Aussicht hatte. Denn die meisten jungen Frauen waren, wenn sie erwachsen wurden, schon auf einen ganz bestimmten jungen Mann versessen. Zwar hatten weder Tochter noch Mutter etwas zu melden, wenn ein Gefährte auszusuchen war; doch wenn Eintracht zwischen ihnen bestand, konnte die Mutter ihren Gefährten die Wünsche ihrer Tochter wissen lassen, der sie dem Clan-Führer
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