Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Regens, Siina! Geist der Nebel, Iischa! Kommt zu uns. Blickt mit Wohlwollen auf uns Erdlinge nieder! Eine der euren haben wir hier unter uns, eine, die mit euren Schatten gegangen und gekommen, ist wiedergekehrt, wie der Große Höhlenlöwe es wünschte."
Er redet von mir, ging es Ayla plötzlich auf. Dies hier ist eine Feier. Doch was hat das mit mir zu tun? Wer sind diese AhnGeister? Nie zuvor habe ich ihre Namen gehört. Sie sind weiblich. Und ich glaubte, alle Schutzgeister wären den Männern entsprechend. Ayla bebte vor Furcht, und doch war sie voller Neugier.
Auch die Männer, die starr vor ihren Steinen hockten, hatten von den Ahn-Geistern nie zuvor gehört; und doch waren sie ihnen nicht unvertraut. Als sie die uralten Namen hörten, regte sich in ihnen die Erinnerung.
Der Mog- ur hob wieder die Hand.
"Mächtige Ahn-Geister, die Wege der Unsichtbaren sind uns fremd und verborgen. So wissen wir nicht, warum diese Frau von einem Geist erwählt wurde, der so mächtig ist wie ihr. Wir wissen nicht, warum er sie auf euren Weg gerührt hat. Wir aber dürfen ihm nicht trotzen. Im Schattenland hat er für sie gekämpft. Er hat das Böse bezwungen und sie uns wieder zugeführt. Wir müssen ihm zu Willen sein und dürfen uns nicht seinem Wunsch verschließen. Mächtige Ahn-Geister aus den Tiefen der Zeit! Eure Wege sind nicht die Wege des Clans. Einstmals jedoch, da waren sie es und müssen es wieder sein für diese eine, die unter uns sitzt. Ahn-Geister! Wir flehen euch inständig an, laßt sie auf euren Wegen wandeln. Nehmt sie an. Schützt sie und gebt euren Schutz ihrem Clan."
Der Mog- ur wandte sich Ayla zu. "Bringt die Frau zu mir", befahl er.
Bruns kräftige Arme zogen Ayla vom Boden hoch und schoben sie vorwärts, bis sie vor dem alten Zauberer stand. Ein unterdrückter Schrei entrang sich ihrer Kehle, als Brun ihr in das lange sonnenhelle Haar griff und ihren Kopf nach hinten riß. Unter gesenkten, flatternden Lidern hervor sah sie, wie der Mog-ur ein scharfes Messer aus seinem Beutel zog und hoch über seinem Kopf schwang. Voller Entsetzen starrte Ayla in das Gesicht des Einäugigen, das immer näher kam, und der Atem stockte ihr, als die scharfe Klinge auf ihren entblößten Hals herabstieß.
Ein brennender Schmerz durchruhr ihre Kehle, doch die Angst hinderte sie zu schreien. Der Mog-ur hatte das Messer in die Halsgrube gesenkt, nicht tief, aber so, dass das Blut eifrig und rot hervorquoll. Dann hielt der Zauberer einen Fellbausch an die Wunde und wartete, bis er sich vollgesogen hatte, und rieb den Schnitt mit einer scharfen Flüssigkeit ein, die ihm Goov in einer Schale reichte. Brun ließ das Mädchen los.
Verschreckt sah Ayla zu, wie der Mog-ur den roten Bausch in eine flach ausgestemmte Steinschale legte, die mit Öligem gefüllt war, und Goov dem Zauberer eine kleine Fackel reichte, der das Ölige in der Schale entzündete. Stumm und reglos wartete er, während der Fellbausch sich kräuselte, brannte, sich zusammenzog und schwarz und steifig wurde. Als die Flammen erloschen waren, streifte Brun Aylas Überwurf zur Seite und entblößte ihren linken Oberschenkel. Der Mog-ur tauchte einen Finger in das schwarze Schmierige, das in der Schale zurückgeblieben war, und zog die vier Narben auf des Mädchens Oberschenkel nach. Entgeistert starrte es auf die Zeichnung. Sie sah aus wie ein Totemzeichen, das den ClanJungen bei ihrer Feier zur Mannbarkeit hineingeschnitten und geschwärzt wurde. Ayla spürte, wie Brun sie nach hinten zog und sah, dass der Mog-ur sich dann wieder an die Geister wandte.
"Oh, nehmt dieses Blutopfer an, ihr würdigen Ahn-Geister, und wisset, dass ihr Totem es war, der Geist des Höhlenlöwen, der sie erwählte, auf euren uralten Wegen zu wandeln. Hierfür haben wir euch geehrt und gehuldigt. Nehmt dieses an und kehrt nun um, da ihr gesehen habt, dass eure Bräuche nicht verloren und vergessen sind."
Es ist vorbei, seufzte Ayla erleichtert, als der Mog-ur sich wieder niederhockte. Sie hatte noch immer keine Ahnung, warum man sie gezwungen hatte, an dieser außergewöhnlichen Feier teilzunehmen. Doch nun trat Brun vor sie hin und bedeutete ihr aufzustehen.
Rasch sprang Ayla auf. Der Clan-Führer griff in eine Falte seines Überwurfs, zog ein bohnengroßes Stück aus rotgefärbtem Elfenbein heraus, ein Stück von eine m Stoßzahn des Mammuts, das die Jäger erlegt hatten.
"Ayla", begann Brun, "dieses eine Mal nur, während wir unter dem Schutz der Ahn-Geister stehen, sollst du den
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