Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
weitergab, welcher allein zu entscheiden hatte, wen man mit wem zusammentat.
Zwischen Iza und Ayla wurde jedoch darüber nie eine Gebärde verloren. Im Clan gab es keine jungen Männer, die noch ohne Gefährtin waren. Und wären noch welche dagewesen, so hätte wohl keiner von ihnen, dessen war sich Iza sicher, Ayla zur Gefährtin haben wollen. Doch die junge Frau selbst hatte nie an solches gedacht.
An einem klaren Morgen, nicht lange nach ihrer Wiederkehr, lief Ayla zu dem kleinen Teich unweit der Höhle hinunter. Sie war allein. Die junge Frau kniete nieder und beugte sich über das Wasser, um das Behältnis einzutauchen. Doch mitten im Schöpfen hielt sie inne. Im Widerlicht der schräg einfallenden Sonnenstrahlen versilberte das stille Wasser und glänzte wie ein Spiegel. Erschrocken starrte Ayla auf das fremde Gesicht, das ihr aus dem Teich entgegenblickte; sie sah sich das erste Mal selbst. Stehende Gewässer gab es kaum in der Nähe der Höhle, und wenn Ayla sonst zum Teich hinunterging, war sie meist in Eile gewesen und hatte keinen Blick auf den Wasserspiegel verschwendet.
Aus großen Augen betrachtete jetzt die junge Frau ihr eigenes Gesicht: etwas kantig, mit einem ausgeprägten Unterkiefer, hohen Backenknochen. Der Kopf saß auf einem langen, glatten Hals. Das Kinn hatte eine winzige Kuhle in der Mitte. Atemlos schaute Ayla sich weiter an. Volle Lippen, die Nase fein und stupsig. Um die himmelblauen Augen saß ein langer Wimpernkranz, ein wenig dunkler als das sonnenhelle Haar, das ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Die Stirn war glatt und gerade. Verzweifelt schlug Ayla mit dem Behältnis auf ihr Spiegelbild ein, das sich sofort zu einem wirren Gewoge von Formen und Linien verzerrte. Schritt für Schritt wich Ayla dann zurück, machte plötzlich kehrt und rannte zur Höhle zurück.
"Ayla, was ist?" fragte Iza, als die junge Frau keuchend in den Wohnkreis kam.
"Iza! Ich habe mich eben im Teich gesehen. Es gibt nichts Hässlicheres. Ach, Iza, warum bin ich so hässlich?" klagte sie und stützte sich weinend in die Arme der Medizinfrau.
Soweit sie sich erinnern konnte, hatte Ayla immer nur die Clan-Leute gesehen. Jemand anderen als diese Erdlinge kannte sie nicht. Die Clan-Leute hatten sich an ihr Aussehen gewöhnt; sie selbst jedoch sah nur, dass sie mit den Erdlingen, die sie umgaben, von außen her nichts gemein hatte.
"Ayla, Ayla", brummte Iza beruhigend und strich der jungen Frau über das Haar.
"Ich habe nicht gewußt, dass ich so grundhäßlich bin, Iza. Ich habe es nicht gewußt. Nie wird es einen Mann geben, der mich haben will. Nie werde ich einen Gefährten haben. Und nie werde ich ein Kind kriegen können. Keiner wird je zu mir gehören."
"Häßlich?" fragte Iza. "Wieso solltest du häßlich sein, Ayla. Du bist nur anders."
"Ich bin häßlich!" Ayla schwang abwehrend die Hände. Sie wollte sich nicht beschwichtigen lassen. "Sieh mich an, Iza! Ich bin zu hoch gewachsen. Ich reiche höher als Broud und Goov. Beinahe so groß wie Brun bin ich. Ich bin groß, grundhäßlich und mein Leben lang ohne einen Gefährten."
"Ayla, hör auf!" schalt Iza und schüttelte sie an den Schultern. "Du siehst aus, so wie es dir gegeben wurde. Du bist nicht in den Clan hineingeboren, Ayla! Du bist ein Kind der anderen gewesen. Du mußt dich annehmen, wie du bist, jetzt auch dein Äußeres. Gewiß, es kann sein, dass du nie einen Gefährten haben wirst. Auch das mußt du annehmen. Aber sicher ist nichts, es gibt die Hoffnung. Bald wirst du Medizinfrau werden
- von meinem Stamm."
Iza setzte sich wieder hin und zog auch Ayla mit runter an die Feuerstätte. "Im Sommer, der kommt, ist das Miething des Groß-Clans.
Viele Erdlinge und ihre Clans werden dort sein. Wir hier bilden nicht den einzigen Clan; möglich ist, dass in einem von den anderen sich ein Gefährte für dich findet. Vielleicht ein junger und auch nicht von hohem Rang, aber einer sicherlich. Zoug ist dir sehr wohl gesonnen. Er hat Creb gebeten, auf dem Miething den Nachbar-Clan zu grüßen und sich bei diesem für dich zu verwenden. Er wünscht, dass diese Leute dir Beachtung schenken und ließ auch wissen, dass er dich selbst nehmen würde, wäre er noch jünger." Ayla blickte auf.
"Das alles hat Zoug geoffenbart? Und das, obwohl ich so häßlich bin?" Die junge Frau musste lächeln.
"Ja, Ayla. Wenn seine Gunst dich begleitet und du den Rang einer Medizinfrau meines Stammes geltend machen kannst, so wird sich ein Mann finden,
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