Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Rückweg schüttelte ein fürchterlicher Husten ihren abgemagerten Körper ohne Unterlaß und trieb ihr blutigen Schaum auf die Lippen. Das Höhenland war ihr nicht so vertraut, und sie verlief sich mehrere Male. Es fing schon an zu dunkeln, als sie sich schlotternd und auf wunden Füßen in die Höhle schleppte.
"Iza, wo warst du?" fragte Ayla mit erschreckter Gebärde. "Du bist ja völlig durchnäßt und zitterst am ganzen Körper. Komm arts Feuer. Ich hole dir etwas Trockenes."
"Ich habe die Wurzel für dich gefunden, Ayla. Wasch sie ab und..." Mitten in der Anweisung musste die Medizinfrau innehalten, als ein Husten sie packte. Ihre Augen hatten einen heißen Glanz und ihr Gesicht brannte. "... kaue sie roh, sie hat starke Zauberkraft und wird bewirken, dass du das Kind nicht verlierst."
Ayla schüttelte den Kopf und rang die Hände. "Nur um mir die Wurzel zu beschaffen, bist du bei diesem Wetter fortgegangen, Iza? Lieber das Kind verlieren als ohne dich leben!"
Ayla wusste, dass Iza schon seit langem nicht mehr recht gesund war; doch bis zu diesem Tag hatte die Medizinfrau noch verbergen können, wie schlimm es wirklich um sie stand. Ayla schob weg, was sie selbst bedrückte, achtete nicht darauf, wenn sie hin und wieder Blut verlor, und dachte kaum noch daran zu essen. Nur Tag und Nacht an Izas Seite bleiben wollte sie. Und Uba auch.
Merkäugig verfolgte die Kleine alles, was Ayla tat, ging ihr zur Hand, wenn sie benötigt wurde, und lernte so, ihr Ererbtes und ihre Bestimmung zu verstehen. Doch Uba war nicht die einzige, die Aylas Tun beobachtete. Der ganze Clan bangte um die Medizinfrau, und keiner traute dem Können der jungen Frau so recht. Doch Ayla beachtete nicht das Mißtrauen um sie herum; Herz und Sinne waren auf die Frau gerichtet, die ihr zur Mutter geworden war.
Alles, was Iza sie je gelehrt hatte, zog Ayla aus ihrem Gedächtnis hervor; doch um dieses Wissen anzuwenden, bedurfte es bei ihr der Überlegung. Begabt mit einer besonderen Fähigkeit, die schon Iza aufgefallen war, wusste sie die Ursache einer Krankheit zu erkennen und das Leiden entsprechend zu behandeln. Aus einzelnen Anzeiche n vermochte sie ein ganzes grobes Bild zusammenzusetzen, dessen Leerräume sie mit Überlegung und Einfühlung ausfüllte. Diese Fähigkeit, auch Zeichen zu bedenken, insgesamt zu betrachten und danach zu handeln, unterschied sie von denen, die die Höhle mit ihr teilten. Denn vorausschauendes Denken kam nur ihr zu.
Ayla wandte die Mittel an, die sie von der Medizinfrau übernommen hatte, und versuchte, sie auf neue Weise einzusetzen. Gleich, was es war, die kundige Hand Aylas oder Izas Wille zum Leben, der Zustand besserte sich nach und nach. Als der Schnee vor der Höhle schon so hoch war, dass man den grauen Himmel kaum noch sehen konnte, hatte sich die Medizinfrau schon soweit erholt, dass Ayla sich selbst in Pflege geben konnte. Und keinen Tag zu früh.
Den ganzen Winter über hatte Ayla Blut verloren und mit ständigen Schmerzen im Rücken gelebt. Oft wachte sie mitten in der Nacht auf, weil ihr ein Krampf in die Beine gefahren war, und noch immer übergab sie sich häufig. Iza war sicher, dass sie das Kind verlieren würde. Es war nicht zu glauben, dass das Kind sich in Aylas Leib entwickeln konnte, wo die Mutter doch so geschwächt war. Aber es wuchs und stieß und strampelte so heftig in Aylas aufgetriebenem Leib, dass diese des Nachts kaum ein Auge zumachen konnte.
Ayla klagte niemals. Sie fürchtete, Iza würde darin ein Zeichen dafür sehen, dass sie bereit war, das Kind herzugeben. Doch dieses würde sie nie wollen. Ihr Leiden ließ sie überzeugend spüren, dass sie, sollte dieses Kind nicht geboren werden, niemals ein zweites haben würde.
Von ihrem Lager aus sah Ayla zu, wie die ersten Regengüsse den Schnee fortspülten. Es drängte sie hinaus, doch Iza ließ sie nicht einen Schritt aus der Höhle. Die Weidenkätzchen hatten ihren Flaum verloren, und die ersten Knospen sprangen auf, als Aylas schwere Zeit begann.
Die ersten Wehen waren leicht. Ayla schlürfte den Weidenrindentrank und glühte vor freudiger Erwartung. Und wenn morgen die Sonne aufgeht, dachte sie, halte ich mein Kind in den Armen. Iza hatte Zweifel, mühte sich aber, sie nicht zu zeigen.
"Iza, was war das für eine Wurzel, die du mir gebracht hast, kurz bevor es dir so schlecht ging?" bedeuteten Aylas matte Hände fragend.
"Sie besitzt eine ganz besondere Kraft und muß gekaut werden, solange sie frisch ist. Du kannst sie nur
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