Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Schrecknis der bebenden Erde und die Erinnerung an die, die sie verloren hatte, waren ausgelöscht.
Iza hielt den Becher an den Mund des Kindes, das durstig war und trank, und das Gesicht verzog, weil es bitter schmeckte. Doch als die Frau ihm den Becher nochmals an die Lippen drückte, schluckte es folgsam. Iza nickte lobend, dann stand sie auf und ging zu den Frauen, die den Morgenverzehr bereiteten. Die Blicke des Mädchens folgten ihr, das plötzlich weit die Augen aufriss, als es eine ganze Schar von Erdlingen erblickte, die alle so aussahen wie die Frau.
Beim Geruch dessen, was da gekocht wurde, meldete sich bei ihm der Hunger, und als die Frau mit einer kleinen Schale Brühe zurückkehrte, die mit zerstoßenen Körnern zu einem Schleim gedickt war, schlang das Kind dieses gierig hinunter. Da die Medizinfrau wusste, dass das Kind noch nicht weit genug genesen war, um tüchtig essen zu können, gab sie ihm nur eine kleine Menge, die völlig ausreichte, den geschrumpften Magen zu füllen. Den Rest goss Iza in einen Wasserbehälter; das Kind konnte ihn auch unterwegs zu sich nehmen.
Als die Kleine satt war; legte Iza sie nieder und entfernte den Verband. Die Wunden nässten und die Schwellung war zurückgegangen.
"Gut", machte Iza.
Erschreckt zuckte die Kleine bei dem harten, kehligen Laut
zusammen. Es war das erstemal, dass sie die Frau sprechen hörte, und das klang nicht wie sonst in ihren Ohren, wenn sie von ihren Leuten angeredet wurde, sondern eher wie das Knurren oder Brummen eines Tieres. Während Iza gerade ein frisches Wurzelpflaster auflegte, humpelte ein missgestalteter, schief gewachsener Mann auf die beiden zu.
Der furchterregendste und abstoßendste Erdling, den sie je gesehen hatte! dachte die Kleine und schaute ihn genauer an. Die eine Seite seines Gesichts war voller Narben, und ein Hautlappen bedeckte die Stelle, wo das andere Auge hätte sein müssen. Doch irgendwie waren alle diese Leute so hässlich, dass sie den Hinkenden so erschreckend gar nicht fand und sich langsam an ihn gewöhnte. Zwar wusste sie nicht, wer die Fremden waren und wie sie zu ihnen gekommen war, aber sie hatte gespürt, dass die Frau sich um sie kümmerte. Sie hatte für Nahrung gesorgt, die Schmerzen in ihrem Bein gelindert und sie von tiefsten Ängsten erlöst. Nun war sie nicht mehr allein.
Der Verwachsene ließ sich auf dem Boden nieder und betrachtete das Kind, das seinen forschenden Blick mit einer Neugier erwiderte, deren Offenheit ihn überraschte. Die Kinder seines Clans waren immer ein wenig ängstlich, wenn er sich ihnen näherte: Sie merkten schnell, dass selbst die Erwachsenen eine ehrfürchtige Scheu vor ihm hatten. Und fingen die Mütter erst einmal an, den Kindern mit dem Mog- ur zu drohen, wenn sie nicht folgten, dann vertiefte sich die Kluft noch zwischen ihm und ihnen; und wenn sie schließlich groß waren, fürchteten die meisten, besonders die Mädchen, ihn wirklich, und erst später wandelte sich die Angst in Achtung. In Crebs Auge leuchtete verwunderte Neugier auf, als er sah, dass ihn dieses fremde Kind ganz ohne Furcht beschaute.
"Es geht dem Kind besser, Iza", stellte er fest.
Seine Stimme war tiefer als die der Frau. Auch die Laute, die aus seinem Mund kamen, klangen wie ein Knurren. Die beredten Handzeichen des Mannes sah das Mädchen nicht. Diese Art zu sprechen war ihm völlig fremd, aber es wusste, dass er der Frau etwas mitgeteilt hatte.
"Sie ist noch vom Hunger geschwächt", erwiderte Iza, "aber die Wunde sieht besser aus. Sie war tief, aber das Gift läuft jetzt ab. Das war ein Prankenhieb des Höhlenlöwen, Creb. Was für ein Wunder, dass sie noch lebt. Sie muss einen mächtigen Schutzgeist haben. Aber was", fügte Iza hinzu, "weiß ich schon von Geistern", und deutete mit beiden Händen zum Himmel.
Keiner Frau, nicht einmal seiner Schwester, kam es zu, dem Mog- ur gegenüber von Geistern zu sprechen. Iza ließ die Arme in einer wegwerfenden Bewegung fallen, mit der sie auc h um Verzeihung für ihre Anmaßung bat. Creb betrachtete das Kind mit noch größerer Aufmerksamkeit. Er hatte ähnlich empfunden wie Iza und gab viel auf ihr Wort, auch wenn er das nie bekundet hätte.
Bald danach brachen sie auf. Iza, mit Korb und Bündeln beladen, zog die Kleine auf ihre Hüfte und reihte sich hinter Brun und Grod ein. Voller Neugier blickte das Kind um sich, als man über das offene Land wanderte, und beobachtete alles, was Iza und die anderen Frauen taten. Seine Nasenflügel begannen
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