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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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sich an Dinge oder Geschehenes zu erinnern, war an das Geschlecht gebunden. Frauen brauchten zum Beispiel nicht auf die Jagd zu gehen und zu wissen, wie man Tiere fängt; und den Männern genügten schon oberflächliche Kenntnisse über Pflanzen. Diese Zweiteilung war naturbestimmt, was durch menschliche Gepflogenheit nur noch bestätigt wurde, und ein weiterer Versuch der Natur, die Hirngröße dieser Menschenart zu beschränken, um ihr Überleben zu verlängern. War nämlich ein Kind von Geburt aus mit Wissensfähigkeit ausgestattet, die eigentlich dem anderen Geschlecht zustand, so verlor es diese durch mangelnden Anreiz, sie einzusetzen - spätestens dann, wenn es das Erwachsenenalter erreichte.
    Doch auch dieses Bemühen der Natur, die Clan-Leute vor dem sicheren Untergang, der in ihnen selbst beschlossen lag, zu retten, trug in sich schon die Elemente des Fehlschlags. Die Männer brauchten die Frauen ebenso, wie die Frauen die Männer brauchten. Und ohne die einen konnten die anderen nicht lange überleben; beide Geschlechter waren unfähig, die Fertigkeiten des anderen zu erlernen, weil ihr Kopf dafür nicht eingerichtet war. Statt dessen hatten die Clan-Leute scharfsichtige und aufmerksame Augen.
    Im Verlauf ihrer Wanderungen hatte sich das Land um sie herum allmählich verändert. Und ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Iza jede Einzelheit in sich aufgenommen. Ihr besonderes Augenmerk richtete sie auf Bäume, Sträucher, Pflanzen, Gräser, Blätter. Schon aus großer Entfernung vermochte sie kleine Abwandlungen in der Form eines Blattes oder der Höhe eines Stängels auszumachen, und wenn es auch einige Pflanzen gab, die sie nie zuvor gesehen hatte, so waren sie ihr doch nicht unvertraut. Irgendwo in den Windungen ihres massigen Gehirns ergab sich ein Wiedersehen, eine Erinnerung, die ursprünglich nicht die ihre war. Dennoch - seit kurzem stachen ihr Pflanzen ins Auge, die sie wirklich noch nie gesehen hatte; sie waren so fremd wie das Land, durch das sie ging. Gern hätte Iza sie näher angesehen, denn unbekannte Gewächse weckten bei allen Frauen die Wissbegierde.
    Vererbt war den Frauen auch das Wissen, wie man unbekannte Pflanzen auf ihre Eigenschaften prüft, und wie alle anderen probierte Iza deren Wirkung zuerst an sich selbst aus. Neue Pflanzen konnten auf Grund gewisser Ähnlichkeiten solchen, die bekannt waren, entsprechend zugeordnet werden; doch Iza wusste, wie gefährlich es war zu glauben, ähnliche äußere Merkmale wären ein Zeichen für gleiche Eigenschaften. Das Prüfen war denkbar einfach: ein kleines Stück abbeißen, und wenn es auf der Zunge brannte oder bitzelte, sofort wieder ausspucken. War es angenehm, so behielt sie den kleinen Bissen im Mund und wartete, ob sich doch noch ein Brennen oder Beißen einstellte oder der Geschmack sich veränderte. Wenn nichts dergleichen geschah, schluckte sie das Bisschen hinunter. Am nächsten Tag wagte sie dann einen größeren Bissen und machte es so wie beim ersten. Und wenn sich nach einer dritten Probe wieder keine ungünstige Wirkung einstellte, galt die neuentdeckte Pflanze als essbar. Zunächst allerdings durften nur kleinere Mengen gegessen werden.
    Mehr Beachtung schenkte Iza jedoch meist solchen Pflanzen, die beim Zerkauen oder nach dem Genuss eine auffallende Wirkung zeigten, was nämlich eine Verwendung bei der Krankenpflege nahe legte. Wenn die anderen Frauen etwas Ungewöhnliches bei ihren Pflanzenfunden feststellten, so brachten sie diese zu Iza; und sie kamen mit jedem Gewächs zu ihr, dessen Merkmale an bekanntermaßen ungenießbare oder giftige Pflanzen erinnerte. Iza untersuchte eine dann vorsichtig und nach ihrem eigenen Verfahren, was oft lange dauerte. Doch solange der Clan auf Höhlensuche war, hielt sie sich an Pflanzen, die sie kannte.
    In der Nähe des Lagerplatzes fand Iza mehrere hoch und gerade gewachsene Malven mit großen leuchtenden Blüten und schlanken Stängeln. Die Wurzeln dieser in vielen Farben blühenden Pflanzen konnten, ähnlich denen der Iris, zur Behandlung von Verletzungen der Haut verwendet werden. Vor allem wirkten sie gegen Schwellung und Entzündung. Ein Aufguss der Blüten würde den Schmerz des Kindes stillen und es schläfrig machen. Kurz entschlossen nahm sie noch einige der hochgewachsenen Blumen mit, ehe sie vom Holzsammeln zurückkehrte.
    Als die Kleine gegessen hatte, beobachtete sie, an einen großen Felsbrocken gelehnt, das Tun und Treiben der Leute ringsum. Satt nun und durch einen

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