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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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war Finsternis. Sie spürte die weiche Fülle der Frau, die nach Milch roch und Kräutern, schloss wieder die Augen und fiel in einen ruhigeren Schlaf.
    Als der Himmel erblasste und der schwache Schimmer des Tages die Bäume scharf umriss, kroch Iza leise unter dem warmen Fell hervor, schürte das Feuer und legte Holz nach. Dann ging sie zu dem kleinen Bach, füllte eine Schale mit dem klaren Wasser und schälte Rinde von einer nahen Weide. Einen Augenblick lang verharrte sie, umfasste ihr Amulett und dankte den Geistern, dass sie die Weidenbäume hatten wachsen lassen, so üppig gar, und ihnen eine heilende Rinde gegeben. Gegen Schmerzen kannte sie stärker wirkende Mittel, doch diese schläferten auch die Sinne ein. Die wohltätige Rinde der Weide jedoch betäubte nur den Schmerz und senkte das Fieber.
    Einige Frauen und Männer fingen an, sich aus den Fellen zu schälen, als Iza schon am Feuer saß und kleine heiße Steine in die Schale mit dem Wasser und der Weidenrinde tauchte. Als der Trank fertig war, trug sie ihn zum Fell. Sorgsam stellte sie die Schale in eine kleine Mulde im Boden, die sie dort ausgehoben hatte, dann legte sie sich daneben und betrachtete das Kind aufmerksam, dessen Atem tief und regelmäßig war. Das ungewöhnlich feingestaltete Gesicht fesselte die Frau und ließ sie genauer hinsehen. Da war die Röte des Sonnenbrands einer leichten Bräunung gewichen, und nur auf dem Rücken der kleinen Nase schälte sich die Haut.
    Schon einmal hatte Iza einen Erdling dieser Art gesehen, aber nur von weitem. Die Clan-Frauen waren immer vor ihm weggelaufen und hatten sich versteckt. Bei Zusammenkünften der Clans hatte man von hässlichen Zwischenfällen bei zufälligen Begegnungen zwischen den Clan-Leuten und den anderen erzählt, denen man tunlichst aus dem Weg ging. Frauen insbesondere war es nicht erlaubt, mit den Fremdlingen in Berührung zu kommen. Doch die Erfahrung ihres eigenen Clans war nicht ungut gewesen. Iza erinnerte sich, mit Creb über den Mann gesprochen zu haben, der vor langer Zeit mit einem gebrochenen Arm in ihre Höhle hereingetorkelt war, vor Schmerz beinah von Sinnen.
    Ein wenig hatte er verstanden, sich ihnen mitzuteilen, aber sein Gebaren war sonderbar. Er unterhielt sich ebenso gern mit den Frauen wie mit den Männern und brachte vor allem der Medizinfrau große Achtung entgegen, beinahe Verehrung, was der Anerkennung durch die Clan-Gefährten keinen Abbruch tat. Während Iza so dalag und das Kind beobachtete, kame n ihr Fragen über Fragen. Langsam kroch die Sonne hinter dem Horizont hervor und strich mit einem ihrer Strahlen über das Gesicht des Kindes, das plötzlich die Augen aufschlug und in ein Paar große braune Augen blickte, die in einem vorgebauten, schnauzenä hnlichen Gesicht tief unter wulstigen Brauenbögen saßen.
    Die Kleine schrie vor Entsetzen auf und drückte die Augen wieder zu. Iza zog sie noch näher an sich; sie spürte, wie der abgemagerte, kleine Körper vor Angst zitterte, und brummte beruhigend. Irgendwie waren diese Laute dem Kind vertraut, vertrauter aber war die tröstliche Wärme der Frau. Und so allmählich verlief sich das Zittern. Langsam öffnete das Mädchen die Augen einen winzigen Spalt breit und blickte auf Iza. Doch diesmal schrie es nicht, öffne te die Augen ganz und starrte auf das angsteinflößende, fremde Gesicht der Frau.
    Auch Iza starrte voller Verwunderung auf das Kind. Nie zuvor hatte sie Augen von der Farbe des wolkenlosen Sommerhimmels gesehen. Einen Herzschlag lang glaubte sie, das Kind wäre blind, denn über den Augen der älteren ClanLeute bildete sich manchmal ein Schleier, der die Farbe der Augen heller machte und ihr Licht trübte. Doch die Pupillen der Augen des Kindes weiteten sich beim Sehen wie bei Gesunden. Es konnte keinen Zweifel geben, dass sie Iza sah. Und wenn dem so war, dann musste das lichte Blaugrau die Farbe ihrer Augen sein!
    Die Kleine lag ganz still, die Augen weit geöffnet, und wagte nicht, sich zu rühren. Als Iza ihr aufhelfen wollte, zuckte sie vor Schmerz zusammen. Und mit einem Mal stürzten die Erinnerungen auf sie ein. Schaudernd sah sie wieder den fürchterlichen Löwen vor sich, spürte die scharfen Krallen, die ihr Bein aufrissen. Dann sah sie sich zum Wasser taumeln, vom Durst getrieben, der stärker war als Furcht und Schmerzen. Doch alles, was zuvor gewesen war, war wie weggeblasen aus dem Kopf der Kleinen. Die Qualen ihrer Einsamkeit, des Herumirrens, des Hungers und der Angst, die

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