Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
herzustellen sei, und schlug das Steinzeug so in Form, dass man's als Werkzeug nutzen konnte. Da war das warme Ende eines Stocks, gezwirbelt zwischen flachen Händen, aus Neugier, ob's noch wärmer würde, noch rascher bewegt worden und noch länger, bis das trockene Gras Drumherum sich kräuselte, zu rauchen begann und plötzlich brannte. Doch mit der Fülle der Erinnerungen, die ihre Hirne ausweiteten, nahm die Fähigkeit dieser Menschen zur Veränderung rasch ab. Es war kein Raum mehr für neue Einfälle, für Erfundenes, was man im Kopf hätte behalten müssen; auch waren ihre Schädel schon zu groß, und die Frauen taten sich schwer beim Gebären.
Das Leben der Clan-Leute war unveränderlich. Vom ersten Lichtblick an bis zum Eintritt in das Reich der Geister war alles durch die Vergangenheit bestimmt und eingegrenzt. Es war ein Versuch zu überleben, unbewusst und ungeplant, als letzte Kraftanstrengung der Natur, diese eine Art von Menschen nicht aus sich heraus sterben zu lassen. Doch eigentlich umsonst! Die Veränderung um sie herum war nicht mehr aufzuhalten; sie geschah einfach. Und Widerstand dagegen war tödlich, dem Überleben entgegengerichtet.
Es machte den Clan-Leuten Mühe, sich anzupassen. Erfindungen gab es nur zufällige, und häufig wurden sie nicht genützt. Und wenn man etwas erlebte, das neu war, konnte das zwar dem Hirn vermittelt werden, aber jede Veränderung hieran vollzog sich nur langsam und mühselig. War ihnen die Natur jedoch einmal aufgezwungen, so folgten sie starr der neuen Richtung. Und weil sie nicht lernen konnten, ließen sie sich leiten. Doch diese Art war nicht gerüstet für ein Überleben in der Welt um sie herum, die sich ständig wandelte. Sie hatten nichts im Kopf, was sie in eine andere Richtung hätte lenken können. Dieses würde einer anderen Art des Menschen vorbehalten bleiben, deren Hirn vielschichtiger wäre und auf das Zukünftige gerichtet.
Während der Mog-ur sinnend bei den Steinen saß und zusah, wie die letzte Fackel blaffend erlosch, entstand vor ihm das Bild des Findelkindes, das Iza mitgenommen hatte. Seine Unruhe wuchs sich zu einem körperlichen Unbehagen aus. Menschen seiner Art war man schon früher begegnet. Nicht viele dieser zufälligen Begegnungen waren gut verlaufen. Woher sie gekommen waren, diese Fremdlinge, war ihm unerklärlich. Was er wusste, war, dass sie Neulinge waren im Land und dass es seitdem anders war hier, wo der Clan sich befand. Und es schien ihm, dass sie die Veränderung mit sich brächten.
Creb schüttelte sich, als könne er loswerden, was ihn bedrückte, hüllte den Schädel des Bären sorgfältig in seinen Umhang, langte nach seinem Stock und hinkte davon.
3
Das Kind wälzte sich herum und stöhnte.
"Mutter", schrie es und fuchtelte wild mit den Armen, und nochmals, lauter: "Mutter!"
Leise vor sich hinmurmelnd zog Iza das angstgepeinigte Wesen an sich. Die wärmende Nähe der Frau und die beruhigenden Laute durchdrangen seine Fieberträume und trösteten die Kleine, die sich bisher rastlos hin und her geworfen und Iza mit ihrem Gestöhn und fieberirren Geplapper immer wieder geweckt hatte. Diese Laute waren seltsam, so anders als das, was die Clan-Leute herausbrachten. Dem Kind kamen sie leicht über die Lippen, fließend, und ein Laut schwang sich zum nächsten. Iza hätte das nicht nachmachen können, denn ihre Ohren waren nicht darauf vorbereitet, diese feineren Schwingungen des Tons und seine Verschleifungen aufzunehmen. Doch was ihr auffiel, war die besondere Folge von Lauten, die immer wieder zu hören war. Iza war sicher, dass dies ein Name sei, der jemandem gehörte, der dem Kind sehr nahe gewesen war. Doch als sie spürte, dass durch sie die Kleine getröstet war, begann sie es zu ahnen.
Eigentlich kann sie noch nicht sehr alt sein, dachte Iza. Nicht einmal wie man Nahrung sucht, hat sie gewusst. Wie lange sie wohl schon alleine war? Was ihr denn zugestoßen sein mag? War’s vielleicht auch das fürchterliche Beben der Erde gewesen? Ob sie schon lange so allein umherlief? Und wie war sie dem Höhlenlöwen entkommen, ohne mehr als diese Prankenhiebe abbekommen zu haben? Mächtige Geister müssen sie beschützen, dachte Iza.
Der Tagesanbruch näherte sich, und es war noch dunkel, als die Hitze im Körper des Kindes etwas absank. Iza drückte die schweißgebadete Kleine fest an ihre Brust und freute sich. Wenig später erwachte das Mädchen, verwirrt, und schaute auf und wusste nicht, wo es lag, denn ringsum
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