Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
mir so sehr am Herzen liegt", versicherte Broud. "Ich will keinen Mann in meinem Clan haben, der nicht jagen kann. Wozu wird Aylas Sohn jemals taugen? Ohne ihn und ohne sie sind wir besser dran. Ayla hat sich dem Clan-Gebot widersetzt. Ihr Sohn ist mißgeburtig. Beide sollten sterben."
Rundum wurde knurrend zugestimmt. Brun merkte die Unaufrichtigkeit in dem, was Broud darlegte, aber er ging nicht darauf ein.
Und wie der Clan-Führer alle seine Männer ansah, spürte er, dass auch er jetzt hätte zustimmen müssen; doch irgend etwas hielt ihn davon ab. Es ist das Richtige, dachte er. Von Anfang an hat sie mich in Bedrängnis gebracht. Gewiß, Iza wird es schwer nehmen, aber ich habe nicht versprochen, die Mutter oder das Kind zu schonen. Ich habe ihr nur zugesagt, dass ich mit mir zu Rate gehen werde. Wer hätte denn erwartet, dass sie zurückkehrt? Denn das ist es ja gerade, was mich stets so in Verdrückung bringt, dass ich nie weiß, was man von ihr erwarten kann. Wenn der Schmerz Iza schwächt und krank macht, dann ist noch Uba da. Sie ist ein Zweig von Izas Stamm, und beim Mie thing des Groß-Clans können andere Medizinfrauen sie in die Lehre nehmen. Brun starrte noch immer vor sich hin und hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt.
Wenn jener Teil von Bracs Geist, den Ayla in sich trägt, mit ihr stirbt, verlieren wir dann wirklich so viel von ihm? Broud ist nicht bang davor; warum bedrückt es mich? Broud hat recht. Sie verdient die härteste Strafe. Allzu heftig ein Kind zu lieben ist nicht recht. Sie sieht nicht einmal, dass ihr Sohn mißgestaltet ist. Sie muß blind sein. Der Schmerz hat ihr den klaren Blick geraubt. Ist es möglich, dass zu gebären solche furchtbaren Schmerzen nach sich zieht? Männer haben schon Schlimmeres erlitten. Manche sind mit klaffenden Wunden von der Jagd zurückgekehrt. Wie weit sie wohl gegangen sein mag? Die Höhle, wo sie hinfloh, kann eigentlich so fern nicht sein. Ayla war ja viel zu schwach, als sie geboren hatte, um einen weiten Weg zu wandern. Aber wie kommt es, dass wir sie nicht fanden?
Und wenn ich ihr erlaube, am Leben zu bleiben, dann muß ich sie zum Miething mitnehmen. Was würden die Leute von den anderen Clans für Augen machen? Und noch schlimmer wäre es, würde ich dem Krüppelkind das Leben lassen. Also gut. Sie wird verflucht, und er wird weggeschafft. Das ist das Richtige. Alle sehen es so. Mag sein, dass auch das Leben mit Broud wieder leichter wird. Mag sein, dass er sich dann besser bezwingen kann. Er ist ein unerschrockener Jäger; er wird ein guter Clan-Führer werden. Schon um Brouds willen sollte er es tun. Es ist das Richtige, nickte Brun sich selbst zu, ja, es ist das Richtige. Dann hob er den Kopf.
"Ich habe meine Entscheidung getroffen", teilte Brun mit. "Morgen ist der Namenstag. Beim ersten Licht, noch ehe die Sonne sich zeigt..."
"Brun!" unterbrach ihn der Mog-ur und fuhr mit der Hand zwischen des Clan-Führers Rede.
Er hatte an der Beratung der Männer nicht teilgenommen. Keiner hatte ihn seit der Geburt von Aylas Kind viel zu Gesicht bekommen. Die meiste Zeit hatte er in der Zauberhöhle gesessen, tief in sich versunken, und ergründet, was Ayla zu solchem Tun getrieben hatte. Er wusste, wie hart es sie angekommen war, sich in den Clan-Brauch einzufügen, und er glaubte, dass es ihr gelungen war. Der Mog-ur war überzeugt, dass es nicht Ungehorsam war, der Ayla hatte unclanmäßig handeln lassen, sondern etwas, das er noch nicht gesehen hatte.
"Ehe du dich festlegst, Brun, wünscht der Mog- ur zu sprechen."
Brun starrte den Zauberer an, dessen Gesicht unergründlich war wie immer. Was kann er vorbringen, das ich übersehen habe? Ich habe mich entschlossen, sie zu verfluchen, und er weiß es.
"Der Mog-ur möge sprechen", bedeutete er.
"Ayla hat keinen Gefährten, aber ich habe ihr stets Schutz und Nährendes zuteil werden lassen. Sie ist mir anvertraut. Wenn du gestattest, will ich als Gefährte für sie eintreten."
"Tu das, Mog- ur, aber was kannst du noch dazugeben? Ich habe alles in Betracht gezogen. Aber was geschehen ist, ist geschehen und läßt sich nicht mehr ändern. Sie hat sich wiederum gegen den Clan-Brauch aufgelehnt. Und die Männer sind nicht bereit, ihr Kind anzunehmen. Broud hat uns klar vor Augen gestellt, dass Mutter wie Kind das Leben zu nehmen ist."
Der Mog-ur stemmte sich mühsam hoch, richtete sich auf und warf seinen Stock zur Seite. Er war der große, bärenfellige Mog ur, der mächtigste Zauberer aller Clans, der
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