Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Augen wieder anderen Dingen zu.
Es war nicht einfach, innerhalb des bemessenen Raums rings um die Höhle eine so große Erdlingsschar in Ruhe und Frieden einträchtig beieinander zu halten. Das gelang nur mit Gemeinschaftsgeist, gleichgerichteter Zusammenarbeit und gegenseitigem Entgegenkommen. Für die Clan-Führer der zehn Clans war hier viel mehr zu tun, als wenn sie nur für ihren eigenen Clan Sorge zu tragen hatten. Je mehr Erdlinge zusammen waren, desto schwieriger wurde das Zusammenleben.
Um alle satt zu bekommen, mussten Jagdzüge unternommen werden, und schon war man im Engpaß der Ratlosigkeit, wenn zwei oder mehrere Clans zusammen jagten. Gut, die Führung, das war klar, oblag dem Führer des ranghöchsten Clans. Wer aber sollte zweiter und dritter Mann sein? Und wie sollten die Jäger eingeteilt werden? Man versuchte es mit wechselnder Einteilung um ja keinen vor den Kopf zu stoßen, und man zog niemals aus, ohne zuvor geklärt zu haben, was Aufgabe eines jeden Mannes sei.
Auch bei der Sammelarbeit der Frauen drohten Reibereien. Zwar ging es da nicht um Rang oder Aufgabe; es war einfach so, dass allzu viele Frauen die besten Pflanzen und Kräuter pflücken wollten. Rasch war dann ein Gebiet abgegrast, und doch hatte keine wirklich genug. Getrocknete Nahrung war ausreichend vorhanden für alle Clans, aber Frischzeug war eben viel begehrter. Schon lange vor einem Miething pflegte der Clan, bei dem es ausgerichtet wurde, weiteste Streifzüge zu unternehmen, um das Gebiet in der Umgebung seiner Höhle unberührt zu lassen; doch selbst dieses Entgegenkommen konnte nicht sicherstellen, dass die Bedürfnisse aller befriedigt wurden.
Der von dem Gletscherwasser gespeiste Fluss in der Nähe lieferte genug Wasser, Brennholz jedoch war knapp. Gekocht wurde im Freien, wenn es nicht gerade regnete; den Verzehr bereiteten die Clan-Frauen am großen Gemeinschaftsfeuer und nicht an ihren eigenen Feuerstätten. Dennoch wurde der größte Teil des dürren Holzes, das sich in den Wäldern fand, aufgebraucht, und viele grüne Bäume fielen den Äxten zum Opfer.
Zur Versorgungsschwierigkeit kamen noch die leidigen Fragen, wie denn Abfälle und Unrat zu beseitigen seien und wo der Platz für all die vielen Erdlinge hergenommen werden konnte. Das alles war nicht leicht zu lösen. Es galt nicht nur. Wohnraum im Höhleninnern zu schaffen, sondern auch Platz zum Kochen, Platz für Versammlungen, für die verschiedenen Wettkämpfe, für Festlichkeiten und Feiern. Und all dieses vorzubereiten barg eben mannigfaltige Schwierigkeiten. Ein Clan suchte den anderen zu übertrumpfen oder um den Vorteil zu bringen, und nur durch endloses Beraten konnte das gespannte Seil der Eigensucht zwischen den Gruppen gelockert werden. Brauch und Überlieferung trugen viel dazu bei, dem Gezänk die Schärfe zu nehmen, und Brun besonders zeigte hier seine Gabe, sich einzufühlen und zu vermitteln.
Creb war nicht der einzige, der bei dem Miething des GroßClans eine besondere Befriedigung erlebte, mit seinesgleichen zusammenkommen zu können. Auch Brun reizte die Herausforderung, sich mit Männern zu messen, die ihm an Macht gleichgestellt waren. Seinen Wettkampf sah er darin, die Vormacht über die anderen Clan-Führer zu erringen. Die von altersher geübten Bräuche und Gebote richtig anzuwenden, verlangte einen klaren Durchblick und die Fähigkeit, einen Ent scheid zu treffen und an ihm festzuhalten, und dennoch zu erkennen, wenn um ein Geringes nachzugeben ratsam war. Brun war nicht grundlos der erste unter den Clan-Führern. Er wusste, wann er hart sein musste und wann entgegenkommend, wann er Einmütigkeit bewahren musste und wann er sich alleine zu behaupten hatte. Wenn die Clans sich versammelten, war es meist so, dass der starke Mann in Erscheinung trat, der die selbstbewussten Clan-Führer zumindest für die Dauer des Miethings zu einer wirksamen Einheit zusammenbringen konnte. Und dieser Mann war Brun. Er war es schon, seit er das Oberhaupt seines eigenen Clans geworden war.
Hätte er durch Ayla das Gesicht verloren, so wäre er durch seinen Selbstzweifel um eben diesen Vorteil gebracht worden, wäre sein Glaube an sein sicheres Urteil erschüttert gewesen. Und so hätte seine eigene Zaghaftigkeit Zweifel an seinen Entscheidungen aufkommen lassen. Dann wäre er den anderen Clan-Führern nicht mehr unter die Augen getreten. Doch Bruns Gespür dafür, innerhalb der fest abgesteckten Grenzen von Brauch und Überlieferung den rechten Weg
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