Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Platz hinter ihm ein. Nach einigen Schritten lief sie an seine verkrüppelte Seite. Er blieb kurz stehen, neigte dann den Kopf und stützte sich auf sie.
Brun merkte sogleich die Veränderung zum Guten und begann mit dem Geschwindschritt. Dennoch kamen sie bei weitem nicht so rasch vorwärts, wie er es gerne gehabt hätte. Eine Wolke der Schwermut schien den alten Zauberer einzuhüllen, aber er raffte seine Kraft noch einmal zusammen. Brun war froh, dass er den Einfall gehabt hatte, Ayla zu ihm zu schicken.
Creb ließ sich von Ayla helfen, aber die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, konnte er nicht überwinden. Er konnte die Erinnerung an die Unterschiedlichkeit ihrer Bestimmung nicht aus seinem Gedächtnis verbannen. Zwischen ihm und Ayla stand eine Wand, durch die die unbefangene Wärme früherer Tage nicht mehr hindurchdringen konnte.
Die Tage waren noch heiß und stickig, doch die Nächte wur den schon kühl. Beim ersten Anblick der schneebedeckten Gipfel weit gegen Sonnenuntergang erfaßte Hochstimmung die Clan-Leute; als aber die Entfernung sich im Gleichmaß der Tage nicht zu vermindern schien, verfielen sie wieder in müde Gleichgültigkeit. Dennoch nahm die Entfernung natür lich ab, wenn auch kaum merklich. Allmählich gaben die blauen Tiefen von Spalten und Klüften den Gletschern festere Form, und die verwischten violetten Schatten unter den eisglitzernden Spitzen nahmen Gestalt an. Felsvorsprünge, Schluchten und Grate waren auszumachen.
Sie gingen bis nach Einbruch der Dunkelheit, ehe sie das letzte Mal in den Steppen Rast machten, und alle waren am folgenden Tag schon beim ersten Licht auf den Beinen. Die Steppe verschmolz mit grünem Hügelland, und der Anblick des grasenden Nashorns weckte in ihnen ein Gefühl von Vertrautheit. Ihr Schritt wurde schneller, als sie zu einem Pfad gelangten, der sich durch die Hügel aufwärts wand. Sie umrundeten den vertrauten Grat und sahen ihre Höhle, und ihre Herzen schlugen schneller. Sie waren daheim.
Aba und Zoug rannten ihnen entgegen. Aba hieß ihre Tochter und Droog mit heller Freude willkommen, drückte die älteren Kinder an sich und nahm dann Groob in die Arme. Zoug grüßte Ayla mit freudiger Gebärde, während er zuerst zu Grod und Uka eilt e, dann zu Ovra und Goov.
"Wo ist Dorv?" fragten Ikas Hände.
"Er wandelt jetzt in der Welt der Geister", gab Zoug zurück. "Sein Augenlicht verdunkelte sich immer stärker. Er konnte nicht mehr sehen. Ich glaube, er hat aufgegeben und wollte nicht mehr auf eure Heimkehr warten. Als die Geister ihn riefen, ging er mit ihnen. Wir haben ihn begraben und an der Stelle ein Zeichen gesetzt, damit der Mog-ur ihn finden kann, um die Totenfeier abzuhalten."
Mit plötzlicher Angst sah Ayla sich um.
"Wo ist Iza?"
"Iza ist sehr krank, Ayla", bedeutete ihr Aba. "Seit dem letzten neuen Mond hat sie ihr Lager nicht mehr verlassen."
"Iza! Nein!" schrie Ayla und stürzte schon zur Höhle.
Sie schleuderte ihre Bündel zu Boden, als sie Crebs Wohnkreis erreichte, und lief zu der Frau, die auf ihren Fellen lag.
"Iza! Iza!" rief sie.
Die alte Medizinfrau schlug die Augen auf.
"Ayla!" ihre rauhe Stimme war kaum vernehmbar. "Die Geister haben mir meinen Wunsch erfüllt", bedeutete sie mit schwacher Gebärde. "Du bist zurück."
Iza,streckte die Arme aus. Ayla umschlang sie und spürte den ausgezehrten, zerbrechlichen Körper. Izas Haar war schneeweiß geworden. Die Haut ihres Gesichts war welk und spröde wie vertrocknetes Laub. Die Wangen waren eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen. Sie sah aus, als wäre sie tausend Jahre alt. Doch in Wirklichkeit hatten sie gerade den sechsundzwanzigsten Sommer gesehen.
Ayla konnte sie durch den Tränenstrom, der ihr aus den Augen floß, kaum erkennen.
"Warum bin ich mit fortgezogen? Ich hätte hierbleiben und dich pflegen sollen. Ich wusste, dass du krank bist. Warum nur bin ich fortgezogen und habe dich allein gelassen?"
"Nein, nein, Ayla", wehrte Iza mit ruhiger Gebärde ab. "Du solltest dich nicht quälen. Du kannst nicht ändern, was bestimmt ist. Als du fortzogst, spürte ich, dass ich sterben werde. Du hättest mir nicht helfen können. Nur einmal wollte ich dich noch sehen, ehe ich fortgehe."
"Du darfst nicht sterben! Ich lasse dich nicht sterben. Ich pflege dich. Ich mache dich heil", versicherte Ayla mit wilden Gebärden.
"Ayla, Ayla. Es gibt Dinge, die selbst die beste Medizinfrau nicht tun kann."
Die Anstrengung löste einen schlimmen Husten aus. Ayla hielt Izas Kopf,
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