Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
die übermäßige Spannung, die seine Brust zu zerreißen drohte. Nur das unmerkliche Auf und Ab der Schläfen über den wulstigen Augenbrauen zeugte vom rasenden Schlag seines Herzens. Dies würde die wichtigste Jagd seines Lebens. Noch nicht einmal seine erste, die ihn zum Mann gemacht hatte, war von solcher Tragweite gewesen. Vom Ausgang dieser Jagd hier hing es ab, ob die neue Höhle bewohnt werden konnte. Denn war er gut, so hatte man nicht nur Fleisch für das Fest zur Höhlenweihe, sondern auch die Gewissheit, dass die Schutzgeister des Clans an ihrer neuen Heimstatt Gefallen fanden; kehrte man aber mit leeren Händen zurück, so musste der Clan zu neuer Suche sich aufmachen, denn dann warnten die Totems, dass die Höhle kein Glück bringe.
Als Brun nun Tier für Tier an sich vorbeitrotten sah, fühlte er, wie ihn Mut durchströmte, war doch der Bison gerade sein Totem.
Der Clan-Führer blickte auf seine Jäger, die niedergekauert seines Zeichens harrten. Für sie war das Warten immer das Härteste; doch ein zu frühes Losschlagen konnte schweres Unglück bewirken, und Brun wollte alles tun, was in seiner Macht stand, um ein Fehlschlagen zu vermeiden. Missbilligend sah er eine zuckende Unruhe auf Brouds Gesicht und bereute schon fast seine Entscheidung, den Sohn die Beute machen zu lassen. Dann aber tauchten in seinem Kopf die strahlenden Augen des Jungen auf, die geblitzt hatten vor Stolz, als der Clan-Führer ihm befohlen hatte, sich auf seine erste Jagd vorzubereiten. Aber es ging ja nicht nur um Broud; von der Kraft seines Armes hing es ab, ob der Clan die neue Höhle würde seine nennen können oder nicht.
Der Junge gewahrte Bruns Blick und beherrschte sich mühsam. Sein Kopf hatte einfach nicht fassen wollen, wie groß und massig und stark so ein Steppentier war - selbst der Höcker auf den Schultern würde ihn, wenn er aufrecht gestanden hätte, noch um Fußenslänge überragen -, und auch nicht, wie überwältigend eine ganze Herde sein konnte. Das Donnern, Brüllen, Schaben und Zischen bedrohte seine Ohren, der fauligscharfe Ruch stach ihm heftig in die Nase, die krausen, gehörnten Fellberge, die da vorbeizogen, schienen Broud fast zu erdrücken. Und wenn ihn eines entdeckte? Er musste ihm wenigstens die erste, tiefe Wunde schlagen, schon um als Bezwinger eines erlegten Tieres gefeiert werden zu können. Und wenn der Stoß fehlging und der Bison entkäme? Brouds Herz war am Zerspringen.
Wie fortgeblasen war nun die forsche Überlegenheit, die ihn beflügelt hatte, als er Oga zeigte, wie er den Bison treffen würde. Voller Bewunderung war sie gewesen; es hatte ihm gefallen; aber er tat so, als gäbe es sie nicht; ein Kind war sie und noch dazu ein Mädchen. Bald würde sie seine Frau sein; keine schlechte Gefährtin vielleicht, wenn sie erst Brüste hätte, warmfeuchte Falten, flinke Hände und einen breiten Rücken. Broud umklammerte seinen Speer fester. Sie braucht einen starken Jäger, sagte er zu sich, einen, der sie beschützen kann, jetzt, da ihre Mutter und der Gefährte ihrer Mutter bei den Toten sind. Er fand Gefallen daran zu sehen, welche Mühe Oga sich gab, ihn zu bedienen, seit Brun sie aufgenommen hatte. Unermüdlich war sie bestrebt, jedem seiner Wünsche zu willfahren, und dabei war er nicht einmal ein Mann. Wie wird sie mich aber anschauen, wenn ich keine Beute mache? Wenn ich bei der Höhlenweihe nicht zum Mann gemacht werde? Wie würde Brun ihn ansehen? Der ga nze Clan? Was wird, wenn wir die neue Höhle, die der Hort des Geistes des Großen Bären ist, verlassen müssen? Brouds Griff um den Speer ließ das Weiße an seiner Faust hervortreten. Die andere schloss er um sein Amulett und bat beim wollhaarigen Nashorn um Mut und Kraft.
Wenn es nach Brun ging, würde der Bison nicht entkommen; doch er ließ den Jungen weiterhin im Glauben, es hinge alles und allein an ihm, ob man nun endlich in die Höhle konnte oder wieder nach einer neuen Umschau halten musste. Denn wenn er eines Tages der Clan-Führer werden wollte, konnte er ruhig jetzt schon erfahren, welche Last das Herz dabei zu tragen hatte. Brun wollte dem Jungen nicht vorgreifen, doch er gedachte, in der Nähe zu sein, um notfalls selbst den Todesschlag zu führen. Er hoffte um des Jungen willen, es nicht tun zu müssen. Der Junge war stolz, das wusste er, und er wusste auch, dass Broud sich tief erniedrigt fühlte, wenn es würde sein müssen. Doch Brun war nicht gewillt, die neue Höhle dem Eigensinn eines Kindes zu
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