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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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hörte sie sie jetzt den Pfad heraufkommen und wartete auf ihr Erscheinen.
Die Frau lächelte, als sie den großen Kopf des Steppenpferdes mit den dunklen Ohren und der struppigen braunen Mähne erblickte. Als sie näherkam, bemerkte Ayla, daß das falbfarbene Tier sein Winterfell verlor, und sie sah den dunklen Streifen, der sich von seiner Kruppe bis zum Schweifansatz hinzog. Die Vorderbeine wiesen oberhalb der Knie die Andeutung von helleren Streifen auf. Das junge Pferd sah die Frau und schnaubte leise; es wartete darauf, ob Ayla etwas von ihm wollte, und ging dann weiter in die Höhle hinein. Wenn er auch noch recht mager war, hatte der Jährling inzwischen schon seine volle Größe erreicht.
Ayla wandte sich wieder dem vor ihr liegenden Ausblick sowie den Gedanken zu, die sie schon tagelang beschäftigten und sie nachts nicht schlafen ließen. Ich kann jetzt nicht fort – ich muß erst ein bißchen jagen und vielleicht sogar warten, bis die ersten Früchte reifen. Und was mache ich mit Winnie? Das war ihr größtes Problem. Sie wollte nicht allein leben, wußte aber von den Leuten, die vom Clan die Anderen genannt worden waren, nichts weiter, als daß sie selbst eine von ihnen war. Was, wenn ich auf Leute stoße, die mich Winnie nicht behalten lassen? Brun würde niemals zulassen, daß ich ein ausgewachsenes Pferd behalte, zumal wenn es so jung und zart ist. Was, wenn sie Winnie töten wollen? Sie würde ja nicht einmal fortlaufen, sondern einfach dableiben und sie gewähren lassen. Wenn ich ihnen sagte, sie sollten es nicht tun – würden sie überhaupt acht darauf geben? Broud würde sie töten, ich könnte sagen, was ich wollte. Was, wenn die Männer der Anderen genauso sind wie Broud? Oder womöglich noch schlimmer? Schließlich haben sie das Baby getötet, wenn auch nicht mit Absicht?
Irgendwann muß ich irgendwen finden, aber ich kann auch noch etwas länger hierbleiben. Zumindest solange, bis ich wieder auf die Jagd gehen kann und vielleicht einige der Wurzeln wieder genießbar sind. Ja, das werde ich tun. Ich werde bleiben, bis die Wurzeln wieder so groß sind, daß ich nach ihnen graben kann.
Nachdem sie den Entschluß gefaßt hatte, ihr Fortgehen noch hinauszuschieben, war ihr, als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen, und sie war bereit, wieder etwas zu tun. Sie stand auf und ging hinüber ans andere Ende des Simses. Der Aasgeruch von verwesendem Fleisch unten am Fluß der Wand stieg bis zu ihr herauf. Sie bemerkte Bewegung dort unten und beobachtete, wie eine Hyäne mit ihren kräftigen Kiefern das Vorderbein eines toten Tieres zermalmte, das wahrscheinlich einmal ein Hirsch gewesen war. Kein anderes Tier, weder Aasfresser noch Raubtier, besaß eine solche Kraft in den Kiefern und in der Vorderhand; gleichzeitig verlieh diese der Hyäne ein so häßlich unproportioniertes Aussehen.
Als Ayla das erste Mal das niedrige Hinterteil einer Hyäne mit den leicht gebogenen Beinen gesehen hatte, die schnüffelnd in dem Haufen unten herumgestöbert hatte, hatte sie an sich halten müssen. Doch als sie dann sah, wie sie mit einem verwesenden Teil eines Tierkadavers abgezogen war, hatte sie sie ganz in Ruhe gelassen, denn diesmal war sie froh gewesen über den Dienst, den sie ihr leistete. Sie hatte sie genauso beobachtet wie die Raubtiere. Im Gegensatz zu Raubkatzen oder Wölfen war die Hyäne nicht auf kräftig entwickelte Hinterbeine angewiesen, um ihr Opfer anzuspringen. Wenn Hyänen jagten, hatten sie es auf die Weichteile und die Euter oder Zitzen ihrer Beutetiere abgesehen. Normalerweise ernährten sie sich jedoch von Aas in jedem Grad der Verwesung.
Sie schwelgten in Verfall und Verwesung. Ayla hatte sie selbst Kot von Clansangehörigen fressen und Leichen freischarren sehen, die nicht tief genug vergraben worden waren; sie fraßen sogar Dung und stanken genauso widerwärtig wie das, was sie fraßen. Mochte ihr Biß auch nicht sogleich tödlich sein; hinterher führte er durch Infektion häufig zum Tode. Außerdem hielten sie sich an Jungtiere.
Ayla verzog angewidert das Gesicht und erschauerte. Sie haßte sie und mußte an sich halten, um die Hyäne da unten nicht mit ihrer Schleuder zu erlegen. Ihre Haltung war irrational, doch vermochte sie ihre heftige Abneigung gegen die braungesprenkelten Aasfresser nicht zu überwinden. Von ihrem vorteilhaften Standort aus sah sie einen Vielfraß sich seinen Anteil vom Aas holen. Das Tier sah aus wie ein Bärenjunges, nur, daß es einen langen Schwanz hatte.

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