Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
Vom Netzwerk:
glücklich, zufrieden, nervös oder erregt war und reagierte auf Signale von seiten des Pferdes, die ihre Aufmerksamkeit erheischten – Fressen, Wasser, Streicheln. Allerdings war es die Frau, die zielgerichtete Anweisungen und Signale von sich gab, auf die das Pferd einging.
Ayla stand am Ausgang, aber noch in der Höhle, und begutachtete ihre Reparatur und den Zustand des Fells, das den Windschutz bildete. Sie mußte am oberen Rand neue Löcher machen und einen neuen Riemen durchziehen, um das Fell wieder am Querbalken oben festzuzurren. Plötzlich spürte sie etwas Feuchtes hinten am Hals.
»Nicht, Winnie …« Sie drehte sich um, doch das Pferd hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Gerade in diesem Augenblick traf sie wieder ein Tropfen. Sie blickte sich um und dann hinauf auf den Eiszapfen am Rand des Rauchabzugs. Der Dampf, der beim Kochen entstanden war, sowie ihr und Winnies Atem, von der Wärme des Feuers nach oben getragen, war dort auf die kalte Luft gestoßen, die durch das Loch hereinkam, was zur Folge gehabt hatte, daß sich Eis bildete. Allerdings nahm der trockene Wind immer gerade genug Feuchtigkeit mit, so daß das Eis sich nicht zu einem regelrechten Eiszapfen auswachsen konnte. Die meiste Zeit den Winter über hatte nur ein Eisrand das Loch oben geziert. Um so überraschter war Ayla, jetzt den langen schmutzigen Eiszapfen voller Ruß und Asche dort oben herunterhängen zu sehen.
Ein Wassertropfen, der unten an der Spitze hing, fiel herunter und traf sie mitten auf der Stirn, ehe ihre Verwunderung so groß wurde, daß sie beiseitetrat. Sie wischte sich die Feuchtigkeit ab und stieß dann einen Freudenschrei aus.
»Winnie! Winnie! Es wird Frühling! Das Eis fängt an zu schmelzen!« Sie lief zu dem Fohlen, schlang ihm die Arme um den zottigen Hals und beruhigte das durch ihre Ausrufe aufgeregte Tier. »Ach, Winnie, bald werden die Bäume knospen und das erste Grün erscheinen. Nichts ist so gut wie das erste Frühlingsgrün! Warte, bis du Frühlingsgras gekostet hast. Das wirst du mögen!«
Ayla lief auf das breite Sims hinaus, als ob sie erwartete, eine grüne statt einer weißen Welt dort draußen zu sehen. Der kalte Wind trieb sie jedoch rasch wieder hinein, und ihre freudige Erregung über die ersten Tropfen Schmelzwasser verwandelte sich in Bestürzung, als der Frühling sein Versprechen wieder zurücknahm und ein paar Tage später der schlimmste Schneesturm des ganzen Winters die Schlucht heruntergefegt kam. Doch trotz des Eismantels, mit dem alles überzogen wurde, folgte der Frühling dem Winter unerbittlich auf den Fersen, und der wärmende Hauch der Sonne brachte die gefrorene Kruste der Erde zum Schmelzen. Die Wassertropfen hatten in der Tat die Verwandlung von Eis in Wasser im Tal angekündigt – und zwar in einem Ausmaß, wie Ayla es nie für möglich gehalten hätte.
Zu den ersten wärmeren Schmelzwassertropfen gesellten sich bald Frühlingsregen, die halfen, Schnee und Eis überall dort, wo sie sich festgesetzt hatten, aufzuweichen und herauszuwaschen; vor allem aber brachten sie den trockenen Steppen das jahreszeitliche Maß an Feuchtigkeit. Allerdings gingen die Regenfälle diesmal nicht nur im Umkreis des Tals hernieder. Die Quelle, die den Fluß speiste, der durch das Tal floß, war der große Gletscher selbst, und während des Tauwetters nahm der Fluß überall das Wasser von kleineren Zuflüssen in sich auf, von denen viele gar nicht vorhanden gewesen waren, als Ayla hierhergekommen war.
Springfluten in vorher trockenen Flußläufen überraschten ahnungslose Tiere und rissen sie aufschäumend mit. In den strudelnden und durcheinanderwirbelnden Wassermassen wurden ganze Tierkadaver auseinandergerissen, zermahlen und zerrieben und bis auf die Knochen zerfetzt. Gelegentlich kümmerten herunterrauschende Wassermassen sich kein Deut um frühere Flußbette. Das Schmelzwasser bahnte sich neue Wege, riß samt den Wurzeln Sträucher und Bäume heraus, die in der feindseligen Umgebung jahrelang gekämpft hatten, um hier zu gedeihen. Steine und Felsbrocken, ja, riesige Findlinge gerieten durch die Fluten in Bewegung und wurden samt dem anderen Geröll und Schutt flußabwärts getragen.
Die einander nahe gegenüberstehenden Wände der schmalen Schlucht weiter stromaufwärts von Aylas Höhle engten die reißenden Fluten ein und zwangen sie, sich als hoher Wasserfall in die Tiefe zu stürzen. Der Widerstand, der ihnen entgegengebracht wurde, verstärkte jedoch nur den Druck der

Weitere Kostenlose Bücher