Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
uns um die Wette laufen«, gab sie dem Pferd zu verstehen und lief so schnell sie konnte, voran über die Ebene.
Das Pferd hatte sie nach ein paar Fluchten eingeholt und lief voran, wobei es im Galopp den ganzen Körper streckte. Ayla folgte ihm aus reiner Lust am Laufen und strengte sich an, bis sie einfach nicht mehr konnte und atemlos und keuchend stehenblieb. Sie sah dem Pferd nach, das das Tal hinuntersprengte, dann einen weiten Bogen schlug und zurückgetrabt kam. Ich wünschte, ich könnte laufen wie du, dachte sie. Dann könnten wir zusammen laufen, wohin wir auch immer wollten. Ob ich wohl glücklicher wäre, wenn ich ein vierbeiniges Pferd wäre und kein Zweibeiner? Zumindest wäre ich dann nicht so allein.
Aber ich bin ja gar nicht allein. Winnie leistet mir gute Gesellschaft, auch wenn sie ein Pferd ist. Sie ist alles, was ich habe, und ich bin alles, was sie hat. Aber wäre es nicht herrlich, wenn ich so laufen könnte wie sie?
Das Füllen kam verschwitzt und schaumbedeckt zurück und brachte Ayla zum Lachen, als es sich auf der Wiese rollte, mit den Beinen in der Luft strampelte und kleine Laute des Vergnügens ausstieß. Dann stand es wieder auf, schüttelte sich und graste weiter. Ayla ließ es nicht aus den Augen, sann immer weiter darüber nach, wie großartig es wäre, wenn sie laufen könnte wie ein Pferd, und dann übte sie weiter pfeifen. Als sie das nächstemal einen durchdringenden Pfiff zustandebrachte, blickte Winnie auf und kam auf sie zugetrabt. Ayla legte erfreut die Arme um ihren Hals, mußte jedoch weiter daran denken, wie schön es wäre, mit dem Pferd zu laufen.
Dann kam ihr ein Gedanke.
Ein solcher Einfall wäre ihr nicht gekommen, hätte sie nicht den ganzen Winter über mit dem Pferd zusammengelebt und wäre es für sie nicht ein Freund und Gefährte gewesen. Ganz gewiß hätte sie nicht nach einem solchen Einfall gehandelt, lebte sie noch beim Clan. Inzwischen hatte Ayla jedoch gelernt, ihren Einfällen einfach nachzugeben.
Ob Winnie wohl was dagegen hätte? dachte Ayla. Ob sie mich hinaufließe? Sie führte das Pferd an den Baumstamm und stieg hinauf, dann legte sie dem Pferd die Arme um den Hals und hob ein Bein. Lauf mit mir, Winnie. Lauf und nimm mich mit, dachte sie und setzte sich dann auf den Rücken des Pferdes.
Die junge Stute war es nicht gewohnt, eine Last auf dem Rücken zu tragen, und so legte sie die Ohren an und tänzelte nervös hin und her. Doch wenn auch das Gewicht etwas Ungewohntes war – die Frau war es nicht, und daß Ayla ihr die Arme um den Hals geschlungen hatte, wirkte sehr beruhigend. Fast wäre Winnie gestiegen, um die Last auf dem Rücken abzuschütteln, lief aber statt dessen einfach davon. Sie fiel in einen Galopp und raste mit der sich an ihren Hals klammernden Ayla über die Ebene dahin.
Nun hatte das junge Pferd sich bereits ausgetobt, und das Leben in der Höhle hatte seinen Bewegungsdrang gezügelt und es war ein wenig steif geworden. Wenn sie auch das dürre Gras der Weide gefressen hatte – was ihr gefehlt hatte, war die ständige Bewegung mit einer umherziehenden Herde. Sie hatte nicht mit dieser Schritt halten müssen, wenn Raubtiere Jagd auf sie machten. Außerdem war sie noch jung. Infolgedessen dauerte es nicht lange, bis sie langsamer wurde und schließlich mit fliegenden Flanken und gesenktem Kopf stehenblieb.
Die Frau ließ sich vom Pferderücken heruntergleiten. »Winnie, das war herrlich!« gab Ayla ihr mit Augen zu verstehen, die vor Begeisterung blitzten. Sie hob die gesenkte Schnauze mit beiden Händen hoch und legte dem Pferd die Wange an die Nase. Dann steckte sie in liebevoller Geste den Kopf der Stute unter ihren Arm, was sie nicht mehr getan hatte, seit das Pferd klein gewesen war. Es handelte sich dabei um eine liebevolle Geste, die sie sich für besondere Gelegenheiten aufhob.
Der Ritt war etwas so Aufregendes, daß sie kaum an sich halten konnte. Schon die Vorstellung, mit einem galoppierenden Pferd dahinzufliegen, erfüllte Ayla mit Staunen. Sie hätte sich sowas im Traum nicht einfallen lassen. Niemand hatte sich so etwas träumen lassen.
10
Ayla kam kaum vom Pferderücken herunter. Es war eine unsägliche Freude, die junge Stute zu reiten, während sie mit Höchstgeschwindigkeit dahingaloppierte. Das fesselte sie mehr als alles, was sie je erlebt hatte. Winnie schien es gleichfalls zu genießen und gewöhnte sich rasch daran, die Frau auf ihrem Rücken zu tragen. Bald wurde das Tal zu klein für die Reiterin auf
Weitere Kostenlose Bücher