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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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war nicht ständig damit beschäftigt, lockere Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Und was machte es schon, daß irgend jemand sie vielleicht sonderbar fände? Sie konnte, wenn sie wollte, ihr Haar zu Zöpfen flechten – schließlich brauchte sie niemand außer sich selbst zu gefallen.
    Bald danach verbrauchte sie den letzten Schnee auf ihrem Sims, doch Eis brechen, um Wasser zu bekommen, brauchte sie auch nicht mehr. In den Schneewehen hatte sich Schnee genug festgesetzt. Als sie das erste Mal hinunterging, um welches zu holen, bemerkte sie allerdings, daß die Schneedecke unterhalb ihrer Höhle von einer hauchdünnen Schicht Ruß und Asche von ihrem Feuer bedeckt war. Sie ging auf der gefrorenen Wasserfläche weiter flußaufwärts, um eine sauberere Stelle zu finden, doch als sie die schmale Schlucht einmal betreten hatte, verführte die Neugierde sie weiterzugehen.
    Sie war nie so weit stromaufwärts geschwommen, wie sie es hätte tun können. Die Strömung war kräftig, und es hatte auch keine Notwendigkeit vorgelegen. Einfach zu gehen, bereitete jedoch keinerlei Mühe; sie mußte nur achtgeben, daß sie auf dem Eis nicht ausglitt. Die Schlucht entlang, wo fallende Temperaturen Wasserspritzer hatte erstarren lassen oder Druck Grate aufgeworfen hatte, hatten Phantasien in Eis Traumlandschaften entstehen lassen. Die wundersamen Gestalten, die sie sah, entlockten ihr ein freudiges Lächeln, doch war sie in keiner Weise auf das gefaßt, was sie zuletzt vor sich sah.
    Sie war eine Weile dahingegangen und dachte schon daran umzukehren. Auf dem Boden der im Schatten liegenden Schlucht war es kalt, und das Eis trug dazu bei, alles noch kälter erscheinen zu lassen. Sie beschloß, nur noch bis zur nächsten Biegung des Flusses weiterzugehen. Dort angekommen, blieb sie unverhofft stehen und starrte überwältigt auf das Bild, das sich ihren Augen bot. Hinter der Biegung stießen die Wände der Schlucht zusammen und bildeten eine Felswand, die bis zur Steppe oben hinaufreichte. Über diese Wand ergossen sich die glitzernden Eiszapfen eines erstarrten Wasserfalls. Steinhart, dabei jedoch kalt und weiß, wirkte er auf sie wie eine staunenswerte Umkehrung – gleichsam, als ob das Innere einer Höhle nach außen gekrempelt worden wäre.
    Das massive Eisgebilde war atemberaubend in seiner Großartigkeit. Die ganze gewaltige Kraft des Wassers, vom Winter in seinem Griff gehalten, schien bereit, sich auf sie zu stürzen. Die Wirkung war schwindelerregend, doch gleichzeitig stand sie wie angewurzelt ganz im Banne seiner Pracht da. Sie erschauerte angesichts dieser geballten Kraft, und ehe sie sich abwandte, meinte sie, an der äußersten Spitze eines hoch droben sitzenden Eiszapfens einen Tropfen Wasser blitzen zu sehen, und es überlief sie ein noch tieferer Schauder.
    Ayla erwachte. Kalte Windstöße fuhren herein, und als sie aufblickte, sah sie durch den Höhleneingang die gegenüberliegende Felswand. Der Windschutz klatschte immer wieder gegen den Pfosten. Nachdem sie ihn wieder in Ordnung gebracht hatte, stand sie eine Weile da und hielt das Gesicht in den Wind.
    »Es wird wärmer, Winnie. Ich bin sicher, der Wind ist nicht mehr so kalt wie vorher.«
Das Pferd zuckte mit den Ohren und sah die Frau erwartungsvoll an. Aber es war nur Rede. Die Frau gab weder Zeichen noch Laute von sich, auf die das junge Pferd hätte eingehen müssen: keine Gebärde, mit der es aufgefordert wurde, näherzukommen oder zurückzuweichen; kein Zeichen, das besagte, daß es gleich Futter bekäme, gekrault, gestreichelt oder geklopft werde, und auch sonst keine Form von Zuneigung zu erwarten stand. Ayla hatte das Pferd nicht bewußt trainiert; für sie war Winnie ein Gefährte und ein Freund. Nur hatte das kluge Tier allmählich begriffen, daß bestimmte Signale und Laute mit bestimmten Tätigkeiten verbunden waren und gelernt auf viele von ihnen entsprechend zu reagieren.
Auch Ayla begriff nachgerade Winnies Sprache. Das Pferd brauchte nicht mit Worten zu sprechen; die Frau war es gewohnt, in verschiedenen Ausdrucksformen feine Bedeutungsunterschiede zu erkennen. Laute hatten bei der Verständigung innerhalb des Clans immer eine zweitrangige Bedeutung gehabt. Im Laufe des langen Winters, in dessen Verlauf sie gezwungen gewesen war, auf engem Raum beieinander zu leben, hatte sich ein warmes Band der Zuneigung sowie ein hohes Maß an Verständigung und Verständnis zwischen ihnen herausgebildet. Für gewöhnlich wußte Ayla genau, ob Winnie

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