Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
bewältigte man ohne großen Aufhebens, wenn
es darum ging, sich feste Wohnsitze dieser Art zu sichern.
Jondalar hatte in Höhlen hoch oben in steilen Klippen und mit
schwindelerregend schmalen Terrassen davor gelebt; doch dem
Wohnsitz dieser Shamudoi-Höhle war nichts zu vergleichen. In einem weit früheren Erdzeitalter war die aus Sandstein,
Kalkstein und Schiefer bestehende Kruste der Erde zu Gipfeln
aufgefaltet worden, die von Eiskappen bedeckt waren. Doch mit
diesen vergleichsweise weichen Gesteinen hatte sich härteres
kristallines Felsgestein vermischt, das Vulkane aus dem
Erdinneren herausgeschleudert hatten, die aufgrund derselben
Umwälzungen in Tätigkeit geraten waren, welche die
Auffaltungen verursacht hatten. Die gesamte Ebene, welche die
beiden Brüder im vorigen Sommer überquert und die einst das
Becken eines riesigen Binnenmeers gebildet hatte, wurde von
den Bergen gesäumt. Jahrtausendelang hatte das Meer gebraucht, sich einen Durchfluß durch eine der Bergketten herauszuwaschen, die – einst mit einem ihrer südlichen Ausläufer verbunden – eine Einheit mit der großen Bergkette im Norden gebildet hatte; und über diesen Durchfluß war das
Binnenmeer ausgetrocknet und die große Ebene entstanden. Doch hatte der Berg nur widerwillig in seinem weicheren
Material nachgegeben und dem Wasser einen schmalen, von
widerstandsfähigem Felsgestein flankierten Durchlaß gestattet.
Der Große Mutter Fluß, der bis dorthin auch die Fluten der
Schwester sowie sämtlicher anderen Nebenflüsse und
Nebenarme in sich aufgenommen hatte und einen einzigen
breiten Strom bildete, floß durch dieselbe Lücke. Über eine
Strecke von mehr als hundertfünfzig Kilometern bildete eine
Serie von vier großen Engpässen das Tor zu seinem Unterlauf
und letzten Endes zu seinem endgültigen Ziel. An manchen
Stellen erreichte die Mutter eine Breite von anderthalb
Kilometern, und an anderen mußte sie zwischen nackten
Felswänden hindurch, die knapp zweihundert Meter
auseinanderlagen.
In Verlauf des langwierigen Prozesses, den es bedeutete, sich
durch die Hunderte von Kilometern einer Gebirgskette
hindurchzufressen, hatten die Wassermassen des immer weiter
zurückweichenden Binnenmeers sich in Ströme, Wasserfälle,
Teiche und Seen aufgeteilt, von denen noch heute viele Spuren
künden. Hoch an der linken Wand, nahe der Stelle, wo der erste
Engpaß entstand, hatte es eine bemerkenswerte Einbuchtung
gegeben: einen ausgedehnten breiten Küstensockel mit
erstaunlich ebenem Boden. Ursprünglich war es eine kleine
geschützte Bucht gewesen, die von Wasser und Zeit aus dem
Berg herausgewaschen worden war. Der dazugehörige See war
längst verschwunden; zurückgeblieben war die hoch über dem Großen Mutter Fluß gelegene, mit vielen Einschnitten versehene U-förmige Terrasse – so hoch gelegen, daß nicht einmal das Frühlingshochwasser, das den Wasserspiegel des Flusses dramatisch ansteigen lassen konnte, der Terrasse auch
nur nahe kam.
Eine große grasbewachsene Fläche reichte bis an den steil in
die Tiefe gehenden Rand der Terrasse heran; dabei war die
Humusdecke, wie man an ein paar flachen Kochgruben, die bis
auf den Felsen hinuntergingen, erkennen konnte, wirklich nicht
dick. Etwa von der Mitte an tauchten Sträucher und kleinere
Bäume auf, die sich an die Felswände klammerten. In der Nähe
der Steilwand hinten wuchsen die Bäume bereits zu respektabler
Größe heran, und das Gebüsch verdichtete sich und bedeckte
den unteren Teil der Wand. Weit hinten an einer Seitenwand
war das, was das Besondere der hochgelegenen Terrasse
ausmachte: ein tief ausgewaschener Sandsteinüberhang.
Darunter waren mehrere Holzunterkünfte abgeteilt worden, die
einen ungefähr kreisrunden offenen Platz bildeten, der der
Hauptfeuerstelle sowie ein paar kleineren Feuerstellen Raum
bot und Zugang und Versammlungsplatz zugleich darstellten. Die gegenüberliegende Ecke der Terrasse war mit einer
weiteren Besonderheit ausgestattet: ein langer dünner
Wasserfall, der von einer hohen Schanze herunterkam,
schäumte eine kurze Strecke über zackige Felsen hinweg, ehe er
sich über einen kleineren vorragenden Sandsteinüberhang in
einen Teich hinunterstürzte. Am Rand der Steilwand lief das
Wasser weiter bis ans äußerste Ende der Terrasse, wo jetzt
Dolando und eine Reihe anderer Männer auf Thonolan und
Jondalar warteten.
Dolando winkte ihnen grüßend zu, als sie um die
vorspringende Felswand herumkamen und von der Ecke her herunterstiegen. Jondalar
Weitere Kostenlose Bücher