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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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daher nicht tief in das Holz eindringen. Während sie sich bis zur Mitte des gewaltigen Stammes vorarbeiteten, sah dieser mehr wie angenagt als angeschlagen aus; dennoch kam man mit jedem herausfallenden Splitter näher an das Herz des uralten Riesen
heran.
Der Tag neigte sich bereits seinem Ende zu, als Thonolan eine
Axt gereicht wurde. Während alle, die gearbeitet hatten, sich in
der Nähe versammelten, versetzte Thonolan dem alten Riesen
ein paar letzte Schläge und sprang dann, als er es knarren hörte
und er den mächtigen Stamm schwanken sah, zurück. Sich
zuerst nur langsam neigend, nahm die Wucht der Eiche im
Fallen zu und, Nachbarriesen Glieder ausreißend und kleinere
dabei mitnehmend, ging der uralte Gigant rauschend und
krachend zu Boden. Er fuhr noch einmal federnd in die Höhe,
erbebte und lag dann still da.
Schweigen kehrte im Wald ein, als ob vor tiefer Ehrfurcht
sogar die Vögel verstummt wären. Die majestätische alte Eiche
war gefällt, war von den lebensspendenden Wurzeln
abgeschnitten worden; der Stumpf bildete in den gedämpften
Erdfarben des Waldes eine klaffende Wunde. Still und
würdevoll kniete Dolando neben dem zersplitterten Stumpf
nieder, grub mit bloßen Händen ein kleines Loch und ließ eine
Eichel hineinfallen.
»Möge die Gesegnete Mudo unser Angebinde annehmen und
einen neuen Baum entstehen lassen«, sagte er, bedeckte die
Eichel mit Erde und goß Wasser darüber.
Die Sonne versank in einem dunstigen Horizont und
verwandelte die Wolken in goldene Streifen, als die Menschen
sich auf den langen Weg zurück zur hochgelegenen Terrasse
begaben. Ehe sie die alte Einbuchtung erreichten, durchliefen
die Farben das gesamte Spektrum von Gold- und Bronzetönen und danach von Rotschattierungen zu einem intensiven Blauviolett. Nachdem sie die vorspringende Wand umrundet hatten, mußte Jondalar angesichts der unberührbaren Schönheit des vor ihm ausgebreiteten Panoramas stehenbleiben. Dann machte er am Rand des Abgrunds entlang einige Schritte – allzu sehr beschäftigt mit dem Anblick, der sich ihm bot, um die gähnende Leere vor ihm zu beachten. Der Große Mutter Fluß spiegelte in seiner ganzen ihm gelassenen Fülle den zitternden Himmel sowie die dunkler werdenden Schatten der gerundeten Berge auf der anderen Seite; die glatte Oberfläche ließ nur das
Bewegungsspiel der tiefen Strömung erkennen.
»Schön, nicht wahr?«
Jondalar drehte sich nach der Stimme um und lächelte eine
Frau an, die neben ihn getreten war. »Ja. Schön, Serenio.« »Großes Fest heute abend. Wir feiern. Für Jetamio und
Thonolan. Sie warten – du sollst kommen.«
Sie wandte sich zum Gehen, doch er ergriff ihre Hand, hielt sie
fest und beobachtete, wie die letzten Strahlen des
Sonnenuntergangs sich in ihren Augen spiegelten.
Sie hatte etwas Hingebungsvoll-Sanftes, eine alterslose
Hinnahme, die mit Alter nichts zu tun hatte – sie war nur
wenige Jahre älter als er. Auch mit Einwilligen hatte es nichts zu
tun. Vielmehr war es so, daß sie keine Forderungen stellte und
keinerlei Erwartungen hatte. Der Tod ihres ersten Gefährten
und einer zweiten Liebe, ehe es Zeit war zu heiraten, und die
Fehlgeburt eines zweiten Kindes, das eingegangene Band zu
segnen, hatte sie den Kummer kennenlernen lassen. Da sie hatte
lernen müssen, mit dem ihren zu leben, hatte sie die Fähigkeit
erworben, die Schmerzen anderer in sich aufzunehmen. Welche
Sorge sie auch befiel und welche Enttäuschung ihnen auch
widerfuhr – die Menschen wandten sich an sie und gingen jedesmal erleichtert von ihr fort, weil sie ihnen für ihr Mitleid
keinerlei Verpflichtungen auferlegte.
Ihrer beruhigenden Wirkung auf die bekümmerten oder
ängstlichen Patienten wegen ging sie dem Shamud oft an die
Hand und hatte aufgrund dieser Verbindung manches an
Können des Heilkundigen in sich aufgenommen. So hatte
Jondalar sie anfangs kennengelernt, als sie dem Heiler geholfen
hatte, Thonolan wieder gesundzumachen. Als sein Bruder
wieder auf war und sich weit genug erholt hatte, an die
Herdstelle von Dolando und Roshario, vor allen Dingen aber
Jetamios zu gehen, war Jondalar zu Serenio und ihrem Sohn
Darvo gezogen. Er hatte nicht um Erlaubnis gefragt, und sie
hatten das auch nicht von ihm erwartet.
Ihre Augen schienen immer etwas zu spiegeln, dachte er, als er
sich vorneigte, um sie mit einem leichten Kuß zu begrüßen, ehe
sie sich zu den flackernden Feuern aufmachten. In ihre Tiefe
blickte er nie hinein. Er schob den ungebetenen Gedanken, ihr
deshalb dankbar zu

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