Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
zum
Fisch, wurden herumgereicht. Als Tholie Platz nahm, fragte er
sie, woraus sie bestünden.
»Aus Bucheckern, die wir letzten Herbst gesammelt haben«,
sagte sie und erklärte ihm eingehend, wie sie mit scharfen
Feuersteinmessern von ihrer ledrigen äußeren Hülle befreit und
dann behutsam geröstet würden, indem man sie zusammen mit
heißen Glutstücken auf schalenförmigen flachen Körben
schüttelte und ständig in Bewegung hielt, damit nichts
anbrenne; zuletzt würden sie dann in Salz gewälzt.
»Das Salz hat Tholie mitgebracht«, sagte Jetamio. »Das
gehörte zu ihrem Brautgeschenk.«
»Leben viele Mamutoi in Nähe Meer, Tholie?« fragte Jondalar. »Nein, unser Lager gehörte zu denjenigen, die der See am
nächsten liegen. Die meisten Mamutoi leben weiter im Norden.
Die Mamutoi sind Mammutjäger«, sagte sie stolz. »Wir sind
jedes Jahr zur Jagd in den Norden gezogen.«
»Wie hast du es geschafft, eine Mamutoi zur Frau zu
nehmen?« fragte der blonde Zelandonii Markeno.
»Ich habe sie geraubt«, erwiderte er und zwinkerte dabei der
fülligen jungen Frau zu.
Tholie lächelte. »Das stimmt«, sagte sie. »Aber
selbstverständlich war alles vorher abgesprochen.«
»Wir haben uns kennengelernt, als ich mit einem Handelszug
unterwegs nach Osten war. Wir sind ganz bis zum
Mündungsgebiet der Großen Mutter hinuntergefahren. Es war
meine erste große Fahrt. Mir war es egal, ob sie Sharamudoi
oder Mamutoi war – ich wollte jedenfalls nicht ohne sie
zurückkehren.«
Markeno und Tholie berichteten von den Schwierigkeiten, die
ihr Heiratswunsch hervorgerufen hatte. Es hatte langer
Verhandlungen bedurft, die Bedingungen auszuhandeln, und
dann hatte er sie ›rauben‹ müssen, um bestimmte Bräuche
umgehen zu können. Sie war mehr als bereit gewesen
mitzumachen; die Heirat hätte ohne ihr Einverständnis nicht
stattfinden können. Aber es hatte zuvor Präzedenzfälle gegeben.
Wenn auch nicht häufig, so waren ähnliche Verbindungen
schon früher zustandegekommen.
Gruppen von Menschen gab es nur wenige, und sie lebten so
weit verstreut, daß die eine selten auf das Territorium der anderen gelangte, was dazu führte, daß der seltene Kontakt mit Fremden den Reiz des Neuen besaß. Wenn auch anfangs auf der Hut, waren die Menschen einander für gewöhnlich nicht feindlich gesinnt, und im allgemeinen wurden Fremde willkommen geheißen. Die meisten Jägervölker waren es gewohnt, weite Entfernungen zurückzulegen. Häufig folgten sie Wildherden, die auf ihren jahreszeitlich bedingten Wanderungen begriffen waren, und bei vielen gab es auch die
lange Tradition von Einzelreisen.
Zu Reibungen kam es weit häufiger durch zu große
Vertrautheit. Feindseligkeiten kamen, falls überhaupt, zumeist
innerhalb der Gruppe vor und blieben auf diese beschränkt.
Leidenschaftliche Ausbrüche wurden durch Sitte und
Verhaltensnormen unter Kontrolle gehalten und häufig nach
ritualisierten Sitten geregelt, wenn diese Sitten auch nicht
übermäßig streng beachtet wurden. Die Sharamudoi und die
Mamutoi trieben seit langem Handel miteinander; außerdem
gab es Ähnlichkeiten in der Sprache und in Sitten und
Gebräuchen. Für erstere hieß die Große Erdmutter Mudo, bei
letzteren Mut; für beide jedoch war sie ein göttliches Wesen,
Urahnin und Erste Mutter zugleich.
Die Mamutoi waren ein Volk mit einem ausgeprägten
Selbstwertgefühl, das sich in Offenheit und Freundlichkeit
ausdrückte. Als Gruppe fürchteten sie niemand – schließlich
waren sie ja die Mammut-Jäger. Sie waren draufgängerisch,
selbstsicher und ohne Arg und überzeugt, daß alle anderen sie
genauso sahen wie sie sich selbst auch. Obwohl die
Diskussionen, wie Markeno fand, kein Ende zu nehmen
schienen, hatte kein unüberwindliches Hindernis gegen die
Verbindung mit Tholie vorgelegen.
Tholie selbst war typisch für ihr Volk: offen, freundlich und zuversichtlich, so daß jeder sie gern hatte. Ja, es war sogar so, daß nur wenige Leute ihrem überschwenglichen Wesen widerstehen konnten. Niemand nahm es übel, wenn sie die intimsten Fragen stellte, denn jeder spürte, daß keinerlei Bosheit dahinterstand. Sie war einfach interessiert und sah keinerlei
Grund, ihre Neugier zu zügeln.
Ein Mädchen mit einem Baby auf dem Arm näherte sich
ihnen. »Shamio ist aufgewacht, Tholie. Ich glaube, sie hat
Hunger.«
Die Mutter nickte dankend und legte das Kind an die Brust,
ohne die Unterhaltung oder die Schmauserei zu unterbrechen.
Andere Leckerbissen wurden herumgereicht:
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