Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
keine gute Miene dazu gemacht. Schließlich hatte man weder ihm noch Cherunio etwas zuleide getan. Er hätte Radonio nicht wehtun dürfen. Sein Zorn verrauchte, und an seine Stelle trat Bekümmerung. »Ich … ich wollte dir nicht wehtun … ich …«
»Du hast ihr ja gar nicht wehgetan, Jondalar. Jedenfalls nicht sehr«, sagte einer der Männer, die alles beobachtet hatten. »Das hat sie sich selbst zuzuschreiben. Sie stiftet dauernd zu etwas an und macht Scherereien.«
»Du bist ja bloß neidisch, daß sie nicht mit dir was angestiftet hat«, erklärte eine der jungen Frauen und sprang Radiono jetzt, wo sie wieder normal miteinander sprachen, zur Seite.
»Ihr glaubt vielleicht, ein Mann mag das, wenn ihr alle euch auf diese Weise an ihn heranmacht, aber das ist nicht so.«
»Das stimmt nicht«, sagte Radonio. »Meinst du etwa, wir hätten dich nicht gehört, wie du dich über diese oder jene Frau lustig machst, wenn du glaubst, du bist allein? Ich habe gehört, wie du davon geredet hast, du könntest gar nicht genug kriegen von Frauen. Ich habe sogar gehört, wie du davon geredet hast, du wolltest Mädchen noch vor den Ersten Wonnen, wo du doch weißt, daß du sie nicht anrühren darfst, selbst wenn die Mutter schon dafür gesorgt hat, daß sie bereit sind.«
Der junge Mann errötete, und Radonio nutzte ihren Vorteil aus. »Manche von euch reden sogar davon, Flachkopf-Frauen zu nehmen!«
Plötzlich tauchte riesig aus den Schatten am Rande des Feuers eine Frau auf. Beeindruckend war nicht so sehr ihre Größe, als vielmehr ihr mächtiger Leibesumfang, ihre Fettleibigkeit. Die sichelförmige Hautfalte im inneren Augenwinkel verriet ihre fremdländische Herkunft ebenso wie die Tätowierung des Gesichts. Dabei trug sie einen Überwurf aus Shamudoi-Leder.
»Radonio!« sagte sie. »Man muß auf einem Fest zu Ehren der Mutter nicht unbedingt schmutzige Reden führen.« Jetzt erkannte Jondalar sie.
»Tut mir leid, Shamud«, sagte Radonio und senkte den Kopf. Sie war schamrot geworden und ehrlich zerknirscht. Erst jetzt merkte Jondalar, wie jung sie war. Sie alle waren kaum mehr als junge Mädchen. Er hatte sich abscheulich benommen.
»Meine Liebe«, ermahnte die Frau Radonio sanft, »ein Mann mag zwar, wenn er aufgefordert und eingeladen wird – aber er hat es nicht gern, wenn man über ihn herfällt.«
Jondalar faßte die Frau genauer ins Auge; denn genau das dachte er auch.
»Aber wir wollten ihm ja nicht wehtun. Wir dachten, er würde es gern haben … nach einiger Zeit.«
»Das wäre ja auch durchaus möglich gewesen, wenn ihr etwas feinfühliger vorgegangen wäret. Niemand sieht sich gern Zwang ausgesetzt. Du hast es doch auch nicht gemocht, als du das Gefühl hattest, er könnte dich zwingen, nicht wahr?«
»Er hat mir aber wehgetan!«
»Wirklich? Hat er dich nicht vielmehr dazu gebracht, etwas gegen deinen Willen zu tun? Ich glaube, das hat dich viel stärker verletzt. Und was ist mit Cherunio? Hat keiner von euch bedacht, daß ihr sie vielleicht verletzen könntet? Man kann niemanden zwingen, Freuden zu genießen. Das gereicht der Mutter nicht zur Ehre. Sie fühlt sich dadurch vielmehr mißbraucht. Und was da mißbraucht wird, sind Ihre Gaben.«
»Shamud, du hast gewettet, daß …«
»Ich mache das Spiel weiter mit. Komm jetzt, Radonio. Wir feiern ein Fest. Mudo will, daß Ihre Kinder glücklich sind. Das war nur ein kleinerer Zwischenfall – laß dir dadurch nicht den Spaß verderben, meine Liebe. Es wird schon wieder getanzt; reihe dich ein!«
Als die Shamud-Frau zu ihrem Spiel zurückkehrte, ergriff Jondalar Radonios Hände. »Ich … tut mir leid. Ich nicht denken. Nicht die Absicht gehabt, dir weh zu tun. Bitte, schäme mich … verzeihen?«
Radonios erste Regung – zu schmollen und sich wütend zurückzuziehen – schmolz dahin, als sie in sein ernstes Gesicht und in seine veilchenblauen Augen sah. »Es war ein alberner … kindischer Streich«, sagte sie, und da seine Nähe und Gegenwärtigkeit sie nahezu umwarfen, kam sie auf ihn zugewankt. Er fing sie auf, lehnte sich dann näher an sie und gab ihr einen langen, erfahrenen Kuß.
»Ich danke dir, Radonio«, sagte er und wandte sich von ihr ab, um fortzugehen.
»Jondalar!« rief Cherunio hinter ihm her. »Wohin willst du?«
Schuldbewußt ging ihm auf, daß er sie völlig vergessen hatte. Mit federnden Schritten trat er auf die kleine, hübsche, quicklebendige junge Frau zu – bei der es außer Frage stand, daß sie sehr anziehend war –, hob sie in die
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