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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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ausgegraben hatte, sonderte dies einen klebrigen Schleim ab. Sie schüttete Ringelblumenblüten ins siedende Wasser, und als dieses sich golden färbte, tauchte sie ein saugfähiges Stück Leder hinein, um dem Löwenjungen die Kopfwunde zu reinigen.
    Als sie das geronnene Blut aufweichte, begann die Wunde wieder zu bluten, und sie erkannte, daß die Schädeldecke einen Riß aufwies, aber nicht regelrecht zertrümmert war. Sie zerhackte das weiche Beinwurz und trug den klebrigen Schleim direkt auf die Wunde auf – es würde die Blutung stillen und dazu beitragen, daß der Knochenriß wieder verheilte –, dann umwickelte sie die Wunde mit weichem Leder. Sie hatte nicht gewußt, was sie jemals damit anfangen sollte, als sie das Fell von nahezu jedem erlegten Tier gewalkt hatte. Doch selbst in ihren wildesten Träumen wäre es ihr nicht eingefallen, daß sie jemals einen verwundeten Löwen damit verbinden würde.
    Wie verwundert Brun wohl wäre, wenn er mich sehen könnte, dachte sie und lächelte. Er hatte ihr nie erlaubt, sich mit Tieren abzugeben, die selbst auf die Jagd gingen; er wollte ja nicht einmal zulassen, daß ich den kleinen Wolfswelpen mit in die Höhle brachte. Und jetzt ein Löwenjunges! Ich glaube, ich werde in kurzer Zeit eine Menge über Höhlenlöwen erfahren – falls das Junge hier überlebt.
    Sie brachte mehr Wasser zum Sieden, um Beinwurz- und Kamillentee aufzubrühen, obwohl sie nicht wußte, wie sie dem Löwenbaby diese innerlich heilende Medizin einflößen sollte. Danach ging sie nach draußen, um das Ren abzuhäuten. Nachdem die ersten zungenförmigen und dünnen Fleischstreifen zum Aufhängen bereitlagen, wußte sie plötzlich nicht weiter. Auf dem Felssims vor ihrer Höhle lag keine Erdschicht, in die sie die Stecken hineintreiben konnte, die sie benutzte, um ihre Schnüre daran aufzuspannen. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht, dazu war sie viel zu sehr mit dem Problem beschäftigt gewesen, das tote Tier zur Höhle hinaufzuschaffen. Warum waren es immer die kleinen Dinge, die sie hilflos machten? Es gab nichts, was für sie selbstverständlich gewesen wäre.
    Ihr fiel in ihrer Verzweiflung keine Lösung ein. Sie war abgespannt, vollkommen erledigt und beunruhigt, das Löwenbaby in die Höhle gebracht zu haben. Sie war sich nicht sicher, ob sie es hätte tun sollen, und wußte nicht, was sie jetzt mit ihm anfangen sollte. Sie warf den Stecken zu Boden und stand auf, trat ans äußerste Ende des Simses und blickte über das Tal hinaus. Der Wind fuhr ihr ins Gesicht. Was hatte sie sich nur gedacht? Ein Löwenjunges mitzubringen, das auf ihre Fürsorge angewiesen war, wo sie sich doch darauf vorbereiten sollte, weiterzuziehen und die Suche nach den Anderen aufzunehmen? Vielleicht sollte sie es einfach zurückbringen auf die Steppe und es dem Geschick überantworten, das allen schwachen Geschöpfen in der Wildnis blüht. Hatte das unnatürliche Alleinsein sie dazu gebracht, nicht mehr vernünftig zu denken? Sie wußte ohnehin nicht, wie sie das junge Tier pflegen sollte. Wie sollte sie es füttern? Und was geschah, wenn es sich wirklich wieder erholte? Dann konnte sie es doch unmöglich wieder hinausschicken; seine Mutter würde es nicht wieder annehmen. Es würde zugrundegehen. Wenn sie das Löwenbaby behalten wollte, mußte sie im Tal bleiben. Und wenn sie ihre Suche wieder aufnehmen wollte, mußte sie es zurückbringen auf die Steppe.
    Sie kehrte zurück in die Höhle und beugte sich über das Löwenjunge. Es hatte sich nicht gerührt. Sie befühlte seine Brust. Es war warm und atmete, und sein wuscheliges Fell erinnerte sie an das von Winnie, als diese noch ein wenige Tage altes Füllen gewesen war. Es war niedlich und sah mit dem Verband um den Kopf so komisch aus, daß sie lächeln mußte. Aber aus diesem niedlichen Baby wird einmal ein sehr großer Löwe, sagte sie sich. Sie richtete sich auf und schaute nochmals darauf hinab. Es half nichts. Es gab keine Möglichkeit für sie, dieses kleine Tier wieder hinauszubringen auf die Steppe, wo es sterben mußte.
    Sie trat wieder hinaus und starrte auf das Fleisch. Wenn sie länger im Tal blieb, mußte sie wieder anfangen, sich einen Nahrungsmittelvorrat anzulegen. Zumal sie jetzt noch ein Maul zu stopfen hatte. Sie nahm den Stecken wieder auf und überlegte, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, ihn aufrecht irgendwohin zu stellen. Ihr Blick fiel auf einen Haufen kleinerer Felsbrocken hinten an der Wand und ganz am Ende ihres Simses,

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