Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
getan, und Jondalar hatte ihn nicht allein losziehen lassen wollen. Zumindest der große Mann hatte es einigermaßen gelernt, mit Booten umzugehen.
Sie standen auf der hölzernen Bootslände; all ihr Gerät war in einem kleinen Boot verstaut; dennoch mangelte es ihrer Abfahrt an der Aufregung, wie sie sonst den Aufbruch zu unbekannten Abenteuer begleitete. Thonolan verließ sie nur, weil er nicht bleiben konnte, und Jondalar wäre viel lieber in die entgegengesetzte Richtung gefahren.
Das Feuer in Thonolan war erloschen. War er früher immer freundlich und zuvorkommend gewesen, so war er jetzt launisch. Seine allgemeine Verdrießlichkeit wurde durch seine plötzlichen Wutausbrüche, die nur zu noch größerer Waghalsigkeit und frevelhafter Unbekümmertheit führten, nur noch unterstrichen. Bei dem ersten offenen Streit zwischen den beiden Brüdern war es nur deshalb nicht zu einer Schlägerei gekommen, weil Jondalar sich geweigert hatte, sich zu schlagen. Thonolan hatte ihm vorgeworfen, ihn zu verhätscheln wie ein kleines Baby, und hatte gefordert, ein Recht auf sein eigenes Leben zu haben, ohne daß Jondalar ihm auf Schritt und Tritt folgte. Als Thonolan hörte, Serenio sei möglicherweise schwanger, war er außer sich darüber, daß Jondalar daran denken könne, eine Frau alleinzulassen, die wahrscheinlich ein Kind seines Geistes trug, um seinem Bruder zu einem unbekannten Ziel zu folgen. Er bestand darauf, daß Jondalar bleibe und für sie sorge, wie jeder anständige Mann es tun würde.
Trotz Serenios Weigerung, das Band mit Jondalar förmlich zu besiegeln, hatte Jondalar das Gefühl, daß Thonolan in dieser Beziehung recht habe. Von klein auf war ihm eingetrichtert worden, daß es die Verantwortung eines Mannes, sein einziger Daseinszweck sei, für den Unterhalt von Müttern und Kindern zu sorgen, insbesondere für den einer Frau, die von Mudo gesegnet worden war und ein Kind in sich trug, das auf irgendeine geheimnisvolle Weise seinen Geist in sich aufgenommen haben könnte. Aber Thonolan wollte nicht bleiben, und Jondalar, der fürchtete, sein Bruder würde etwas Unbesonnenes und Gefährliches tun, bestand darauf, ihn zu begleiten. Die Spannung zwischen den beiden legte sich immer noch allen aufs Gemüt.
Jondalar wußte nicht recht, wie er Serenio Lebewohl sage sollte, und hatte geradezu Angst, sie anzusehen. Doch sie lächelte, als er sich zu ihr hinabbeugte, um sie zu küssen, und obgleich ihre Augen ein wenig geschwollen und rot schienen, ließ sie nicht zu, daß sie irgendwelche Gefühle preisgaben. Er suchte nach Darvo und war enttäuscht, daß der Junge nicht unter denen war, die zur Bootslände heruntergekommen waren. Fast alle anderen waren da. Thonolan saß bereits in dem kleinen Boot, als Jondalar hineinkletterte und sich auf dem Rücksitz niederließ. Er nahm sein Paddel, und während Carlono das Tau losmachte, blickte er ein letztes Mal hinauf zur hochgelegenen Terrasse. Ein Junge stand am Rand. Er würde noch ein paar Jahre brauchen, um den Überwurf auszufüllen, den er trug, aber das Perlenmuster darauf war unverkennbar Zelandonii. Jondalar lächelte und winkte dann mit dem Paddel. Darvo erwiderte das Winken, und der große blonde Zelandonii tauchte das Doppelpaddel ins Wasser.
Die beiden Brüder paddelten in die Mitte des Flusses hinaus und blickten dann zurück zu den dichtgedrängten Leuten auf der Bootslände: das waren ihren Freunde. Während sie flußabwärts dahinglitten, dachte Jondalar darüber nach, ob er die Sharamudoi oder irgendeinen von denen, die er kannte, je wiedersehen würde. Die Reise, die als Abenteuer begonnen hatte, war nicht mehr so aufregend. Dennoch wurde er, fast wider seinen Willen, immer weiter von zu Hause fortgetrieben. Was mochte Thonolan im Osten zu finden hoffen? Und was das betraf: Was konnte der Osten schon für ihn bereithalten?
Die große Flußenge kündigte sich unter dem grauüberzogenen Himmel an. Kahler Felsen ragte aus der Tiefe des Wassers auf und reckte sich zu beiden Seiten zu turmhohen Bollwerken auf. Auf dem linken Ufer führte eine Reihe von Erhebungen aus scharfen, kantigen Felsen schrundig und zerrissen ganz bis zu den gletscherbedeckten Gipfeln hinauf, während rechterhand die abgerundeten Berge den trügerischen Eindruck vermittelten, es handelte sich nur um niedrige Hügel; gleichwohl war ihre Höhe von dem kleinen Boot aus erschreckend. Größere Felsbrocken und -spitzen ragten aus dem Wasser heraus und zerteilten die Strömung in
Weitere Kostenlose Bücher