Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
hin, um einige davon auszureißen. Als sie gemächlich wieder zurückkehrte, bemerkte sie den großen Felsen, der aus dem seichten Flußbett aufragte und eine Reihe von glatten, schalenartigen Vertiefungen aufwies. Sie hob einen runden Stein auf und watete zu dem Felsen hinüber. Dann spülte sie die Wurzeln ab, schöpfte Wasser in eine der Vertiefungen und zerstampfte die Wurzeln darin, um das Saponin darin freizusetzen und eine schöne Seifenlauge herzustellen. Nachdem sich reichlich Schaum gebildet hatte, feuchtete sie ihr Haar an, rieb den Schaum hinein, wusch sich auch sonst damit ab und tauchte hinterher ins Wasser, um sich abzuspülen.
Irgendwann in der Vergangenheit war ein Brocken des vorspringenden Felsens heruntergebrochen. Ayla kletterte auf den unter Wasser liegenden Teil dieses Felsens hinauf und schritt dann auf dem über Wasser liegenden Teil an eine Stelle, wo sie sich in der Sonne wärmen konnte. Ein hüfttiefer Kanal an der Landseite machte den Felsen zu einer Insel, die teilweise von einer überhängenden Weide beschattet wurde, deren freiliegende Wurzeln sich gleich knochigen Fingern am Fluß festklammerten. Ayla brach einen kleinen Zweig von einem Busch, dessen Wurzeln in einem Spalt Halt gefunden hatten, entrindete ihn mit den Zähnen und benutzte ihn dann, um sich während des Trocknens in der Sonne Verfilzungen aus dem Haar zu reißen.
Sie starrte verträumt ins Wasser und summte leise vor sich hin, als ihre Augen plötzlich Bewegung vermerkte. Von einem Augenblick auf den anderen hellwach, starrte sie ins Wasser und auf die silbrige Gestalt einer großen Forelle, die sich unter den Wurzeln ausruhte. Seit ich die Höhle verlassen habe, habe ich keinen Fisch mehr gegessen, dachte sie, wobei ihr einfiel, daß sie auch noch nicht gefrühstückt hatte.
Lautlos glitt sie auf der anderen Seite des Felsens ins Wasser, schwamm ein Stück flußabwärts und watete durch seichtes Wasser. Die Hand hielt sie im Wasser und ließ die Finger einfach schlaff hineinhängen. Langsam und mit unendlicher Geduld bewegte sie sich dann stromaufwärts. Als sie sich dem Baum näherte, sah sie, wie die Forelle sich mit dem Kopf in die Strömung gestellt hatte und langsam die Flossen bewegte, um an derselben Stelle unter den Wurzeln stehenzubleiben.
Aylas Augen blitzten vor Erregung, dabei überwog ihre Vorsicht die Aufregung, als sie sicher einen Fuß vor den anderen setzte und sich dem Fisch näherte. Sie hob die Hand von hinten, bis sie unmittelbar unter der Forelle lag, berührte sie dann unmerklich und fühlte nach den offenen Kiemendeckeln. Plötzlich packte sie den Fisch, hob ihn dann mit einer einzigen sicheren Bewegung aus dem Wasser heraus und warf ihn aufs Ufer. Die Forelle schnellte ein paarmal hin und her und kämpfte eine Weile, dann lag sie still da.
Ayla lächelte. Sie war zufrieden mit sich. Als Kind war es ihr schwergefallen zu lernen, wie man einen Fisch mit der Hand fängt. Deshalb erfüllte sie jetzt fast der gleiche Stolz wie damals, als sie es das erste Mal geschafft hatte. Die Stelle mußte sie im Auge behalten; sie wußte, daß noch andere Fische ihn zum Ausruhen benutzen würden. Dieser Bursche ist so groß, daß er zu mehr als zum Frühstück reicht, dachte sie, als sie ihre Beute holte – und schon im voraus den Geschmack der frischen, auf heißen Steinen gebackenen Forelle im Mund hatte.
Während ihr Frühstück garte, beschäftigte Ayla sich damit, einen Korb aus Palmlilienblättern zu flechten, die sie tags zuvor mitgebracht hatte. Es handelte sich um einen schlichten Gebrauchskorb, doch mit Hilfe einiger kleinerer Veränderungen beim Flechten entstand ein ganz anderes Muster, was ihr großen Spaß machte. Sie arbeitete flink, gleichzeitig jedoch so kunstvoll, daß der Korb kein Wasser durchlassen würde. Füllte man noch heiße Steine hinein, ließ er sich als Kochgerät verwenden, doch das war nicht der Zweck, für den sie ihn gedacht hatte. Was ihr vorschwebte, war ein Vorratsbehälter; schließlich mußte sie an all die vielen Dinge denken, die sie brauchte, um für die kalte Jahreszeit gerüstet zu sein.
Die Johannisbeeren, die ich gestern gepflückt habe, werden in ein paar Tagen gedörrt sein, schätzte sie, als sie zu den runden roten Beeren hinüberblickte, die vor der Höhle auf Grasmatten zum Trocknen ausgebreitet waren. Inzwischen werden weitere reifen. Viele Blaubeeren wird es auch noch geben, nur von dem kümmerlichen kleinen Apfelbaum werde ich nicht viel bekommen.
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