Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
betrachtete die geschnitzte weibliche Gestalt. »Jondalar Haduma, Noria?«
Er nickte, und sie brach in Tränen aus, verkrampfte beide Hände um das Figürchen und hob es an die Lippen. »Jondalar Haduma«, sagte sie, von Schluchzern geschüttelt. Plötzlich schlang sie beide Arme um ihn und küßte ihn; dann lief sie zurück zu den Zelten und weinte so sehr, daß sie kaum den Weg erkennen konnte.
Das ganze Lager eilte herbei, ihnen Lebewohl zu sagen. Haduma stand neben Noria, als Jondalar vor ihnen stehenblieb. Haduma lächelte und nickte beifällig; Noria hingegen rollten die Tränen über die Wangen. Er fing eine auf, hob sie an die Lippen, und sie lächelte, wenngleich das ihren Tränenstrom nicht versiegen ließ. Er wandte sich zum Gehen, sah jedoch noch, wie der kraushaarige junge Mann, den Jeren als Boten fortgeschickt hatte, Noria mit liebeskranken Augen ansah.
Sie war jetzt eine Frau, von Haduma gesegnet, jemand, der einem Mann gewiß ein Glückskind an sein Herdfeuer brachte. Es wurde allgemein darüber gesprochen, daß sie Lust bei den Riten der Ersten Nacht empfunden hatte, und jeder wußte, daß solche Frauen die besten Gefährtinnen ergaben. Noria war eine mannbare, eine überaus begehrenswerte Frau.
»Glaubst du wirklich, daß Noria mit einem Kind deines Geistes schwanger geht?« fragte Thonolan, nachdem sie das Lager hinter sich gelassen hatten.
»Das werde ich zwar nie erfahren, aber diese Haduma ist eine
weise alte Frau. Sie weiß mehr, als alle anderen ahnen. Ich glaube, sie gebietet über den ›großen Zauber‹. Wenn ein Mensch dafür sorgen könnte, daß es geschieht, dann sie.«
Schweigend folgten sie eine Weile dem Lauf des Flusses. Dann sagte Thonolan: »Großer Bruder, etwas möchte ich dich fragen.«
»Nur zu.«
»Über was für einen Zauber gebietest du ? Ich meine, jeder Mann redet davon, für die Riten der Ersten Wonnen auserkoren zu werden; dabei haben die meisten große Angst davor. Ich weiß sogar von einigen, daß sie die Ehre abgelehnt haben, und ehrlich gestanden, ich selbst komme mir immer ziemlich unbeholfen vor. Allerdings würde ich es nie ablehnen. Aber du, auf dich fällt die Wahl immer wieder. Und ich habe noch nie erlebt, daß es schiefgegangen wäre. Sie verlieben sich in dich. Wie machst du das?«
»Ich weiß es nicht, Thonolan«, sagte er ein wenig verlegen. »Ich bemühe mich nur, vorsichtig zu sein.«
»Welcher Mann tut das nicht? Nein, es ist mehr als das. Was hat Tamen noch gesagt? ›Frauen bei Riten Erste Nacht Lust bereiten nicht leicht.‹ Wie verschaffst du einer Frau also Lust. Ich bin schon froh, wenn ich ihr nicht allzu weh tue. Schließlich bist du nicht weniger groß ausgestattet als wir anderen auch, um es zu erleichtern. Sag schon, gib deinem kleinen Bruder einen guten Rat. Ich hätte nichts dagegen, wenn eine Handvoll junger Schönen mir nachliefe.«
Er verlangsamte den Schritt und sah Thonolan an. »Doch würdest du das. Ich glaube, das ist einer der Gründe, weswegen ich mich Marona versprochen habe – damit ich eine Entschuldigung hätte.« Jondalar legte die Stirn in Falten. »Die Riten der Ersten Nacht sind etwas Besonderes für eine Frau. Und für mich auch. Nur sind viele junge Frauen in mancher Beziehung noch junge Mädchen. Sie wissen noch nicht, was es heißt, hinter Jungen herzulaufen oder einen Mann aufzufordern – kennen den Unterschied noch nicht. Wie bringt man einer jungen Frau, mit der man gerade eben eine ganz besondere Nacht verbracht hat, bei, daß man es vorziehen würde, sich mit einer erfahreneren Frau zu entspannen – und das, wenn sie dich ganz allein beim Wickel hat? Große Donii, Thonolan! Ich will sie zwar nicht verletzen, aber ich verliebe mich nicht gleich in jede Frau, mit der ich eine Nacht verbringe.«
»Du verliebst dich überhaupt nicht, Jondalar.«
Jondalar beschleunigte den Schritt. »Was willst du damit sagen? Ich habe schon eine ganze Reihe von Frauen geliebt.«
»Sie geliebt, gewiß. Aber das ist nicht dasselbe.«
»Woher willst du das wissen? Hast du schon jemals geliebt?«
»Schon mehr als einmal. Gewiß, es mag nicht von Dauer gewesen sein, aber ich kenne den Unterschied. Schau, Bruder, ich will nicht meine Nase in deine Angelegenheiten stecken, aber du machst mir Sorgen, besonders dann, wenn du niedergeschlagen bist. Du brauchst auch nicht wegzulaufen. Ich halte schon den Mund, wenn du das möchtest.«
Jondalar verlangsamte den Schritt. »Ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht habe ich wirklich noch
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