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Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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dir eine unscheinbare kleine Frau aus, die irgendwo in der Ecke sitzt. Warum?«
»Ich weiß es nicht. Manchmal hält so eine sich nur deshalb nicht für schön, weil sie einen Leberfleck auf der Backe hat oder sich einbildet, ihre Nase wäre zu lang. Wenn du dich mit ihr unterhältst, ist oft mehr an ihr dran als an derjenigen, hinter der sie alle her sind. Manchmal sind Frauen, die nicht vollkommen sind, interessanter als andere: Sie haben mehr getan oder mehr gelernt.«
»Vielleicht hast du recht. Manche von ihnen blühen ja auch richtig auf, wenn man ihnen ein bißchen Aufmerksamkeit schenkt.«
Jondalar zuckte mit den Achseln und stand auf. »Durch Reden finden wir weder Frauen noch eine Höhle. Laß uns das Lager abbrechen.«
»Richtig«, meinte auch Thonolan, kehrte dem Feuer den Rücken zu – und erstarrte. »Jondalar!« warnte er mit unterdrückter Stimme, bemühte sich dann jedoch, ganz normal weiterzusprechen. »Mach nichts, was seine Aufmerksamkeit erregen könnte, aber wenn du übers Zelt hinwegblickst, wirst du deinen Freund von heute morgen sehen.«
Jondalar spähte vorsichtig über den Zeltfirst hinweg. Direkt dahinter stand ein riesiges doppelhörniges Wollhaarnashorn und schwankte leicht, während es sein gewaltiges Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. Den Kopf beiseite gelegt, beäugte es Thonolan. Unmittelbar vor sich war das Tier so gut wie blind; denn seine kleinen Augen saßen tief in den Höhlen, und seine Sicht war ohnehin beschränkt. Sein besonders ausgeprägtes Gehör und Riechvermögen glichen jedoch sein schlechtes Sehvermögen aus.
Es handelte sich ganz offensichtlich um ein Tier der Kälte. Es besaß dichtes, flauschiges Unterhaar und darüber längeres, zottiges, rötlichbraunes Deckhaar; außerdem wurde es unter seiner ledrigen Haut durch eine fast Handbreit dicke Fettschicht geschützt. Den Kopf trug der Koloß tief; er senkte sich von den Schultern bodenwärts, und sein langes Horn auf der Nase stieß in einem Winkel vor, daß es, wenn es den Kopf hin- und herbewegte, gerade eben nicht die Erde berührte. Das Horn diente ihm vor allem dazu, sofern er nicht zu tief war, den Schnee vom Weidegras beiseite zu schieben. Mit seinem stämmigen kurzen Beinen blieb es leicht im tiefen Schnee stecken. Die grasreichen Ebenen im Süden suchte es nur vorübergehend im Spätherbst und zu Winteranfang auf, wenn es dort kalt genug geworden, aber noch nicht viel Schnee gefallen war, um sich sattzufressen und sich ein zusätzliches Fettpolster zuzulegen. Hitze konnte das Wollhaarnashorn mit seinem dichten Fell genauso wenig ertragen wie tiefen Schnee. Sein Lebensraum war die bitterkalte, knirschend-trockene Tundra sowie die Steppen nahe der Gletschereisgrenze.
Das lange, spitzzulaufende Horn auf seiner Nase konnte jedoch zu etwas weit Gefährlicherem gebraucht werden als zum Schnee-Beiseiteschieben, und zwischen den Nashorn und Thonolan lagen nur wenige Schritte.
»Nicht bewegen!« zischte Jondalar. Er duckte sich hinter dem Zelt und streckte die Hand nach den Speeren aus.
»Mit den leichten Speeren richtest du nicht viel aus«, sagte Thonolan, obwohl er ihm den Rücken zuwandte. Diese Worte ließen Jondalars Hand für einen Augenblick innehalten; woher mochte Thonolan das wissen? »Du mußt es schon an verwundbarer Stelle treffen, zum Beispiel im Auge, und das ist ein allzu kleines Ziel. Für ein Nashorn brauchst du eine größere Lanze«, fuhr Thonolan fort, und seinem Bruder ging auf, daß er sich nur in Mutmaßungen erging.
»Rede nicht zuviel, sonst erregst du noch seine Aufmerksamkeit«, versuchte Jondalar ihn zu beschwichtigen. »Ich habe zwar keine Lanze, aber du bist völlig unbewaffnet. Ich gehe jetzt um das Zelt herum und versuch’s von dort aus.«
»Warte, Jondalar! Mit dem Speer reizt du ihn nur und kannst ihn nicht einmal verletzen. Weißt du noch, wie wir als Jungen immer Nashörner geärgert haben? Manche von uns sind losgerannt, um das Nashorn zu bewegen, hinter ihm herzustürmen; und sind dann ausgewichen, während andere seine Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Und ihn hetzten, bis er nicht mehr konnte. Sei jetzt bereit, ihn abzulenken – ich lauf jetzt los und bringe ihn dazu, hinter mir herzustürmen.«
»Nein, Thonolan!« schrie Jondalar, doch es war bereits zu spät. Thonolan schoß davon.
Es war unmöglich, schlauer zu sein als das unberechenbare Tier. Statt hinter dem Menschen herzustieben, ging das Nashorn zum Angriff auf das sich im Wind blähende Zelt über,

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