Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Raubkatze mit den Pinselohren gleich mit. Dann betrachtete sie ihren Haufen Fleisch, das schlammstarrende Pferdefell, den toten Vielfraß und den toten Luchs. Plötzlich mußte sie lachen. Ich habe Fleisch gebraucht. Und ich habe Felle gebraucht. Was ich jetzt brauche, sind nur noch ein paar Hände mehr, dachte sie.
Das kleine Füllen hatte bei ihrem Lachausbruch und dem Geruch des Feuers gescheut und war etwas beiseite gesprungen. Ayla nahm einen Riemen, näherte sich dem Pferd sehr behutsam, legte ihm den Riemen um den Hals und führte es zurück ans Ufer. Das andere Ende des Riemens verknotete sie an einem Busch. Dann fiel ihr ein, daß sie wieder ihre Speere vergessen hatte, lief, sie zu holen und ging hin, das kleine Pferd zu beruhigen, das versucht hatte, ihr zu folgen. Womit füttere ich dich bloß, dachte sie, als das Fohlen wieder versuchte, an ihren Fingern zu saugen. Als ob ich im Augenblick nicht gerade alle Hände voll zu tun hätte!
Sie versuchte es mit etwas Gras, doch das kleine Tier schien nicht recht zu wissen, was es damit tun sollte. Dann fiel Ayla die Kochschale mit dem kalten gekochten Korn am Boden ins Auge. Babys können dasselbe essen wie ihre Mütter, erinnerte sie sich; es muß nur weicher sein. Deshalb goß sie etwas Wasser in die Schale, verrührte den Körnerbrei darin und trug diesen zu dem Fohlen, das jedoch nur schnaubte und sich sträubte, als die Frau seine Schnauze hineinsteckte. Doch dann leckte es ihr übers Gesicht und schien den Geschmack zu mögen. Es war hungrig und versuchte es wieder mit Aylas Fingern.
Ayla überlegte einen Moment; noch während das Füllen an ihren Fingern saugte, senkte sie die Hand in die Schale hinein. Das kleine Pferd saugte ein wenig Brei auf und schüttelte den Kopf, doch nach einigen weiteren Versuchen schien es zu begreifen. Nachdem es fertig war, stieg Ayla zu ihrer Höhle hinauf, holte noch etwas Körner und bereitete sie für später zu.
Ich werde wohl viel mehr Korn sammeln müssen, als ich ursprünglich vorgehabt hatte. Aber vielleicht bleibt mir ja Zeit genug – wenn ich es schaffe, all dieses Fleisch hier zu trocknen. Sie hielt einen Augenblick inne und überlegte, wie sonderbar der Clan das alles finden würde: daß sie erst ein Pferd erlegte und dann Futter für das Baby eben dieses Pferdes suchte. Aber ich kann so sonderbar sein wie ich will … hier, sagte sie zu sich, als sie mit einem zugespitzten Stock ein Stück Pferdefleisch aufspießte, um es für sich selbst zu kochen. Dann faßte sie die vor ihr liegenden Aufgaben ins Auge und machte sich ans Werk.
Sie schnitt das Fleisch immer noch in dünne Streifen, als der Vollmond aufging und die Sterne wieder blinkten. Ein Rund von Feuern flackerte auf dem Strand, und Ayla war dankbar für das viele Treibholz in der Nähe. Innerhalb des Feuerrunds war eine Schnur mit trocknendem Fleisch nach der anderen aufgespannt. Ein lohfarbenes Luchsfell lag neben der kleineren Rolle zottigen braunen Vielfraßpelzes aufgerollt; beide warteten darauf, geschabt und gewalkt zu werden. Die frischgewaschene graue Decke der Stute war auf den Steinen ausgebreitet und trocknete neben dem Pferdemagen, der gesäubert und mit Wasser gefüllt worden war, damit er weich blieb. Da lagen Streifen trocknender Sehnen zum Schnüren, Abschnitte von gesäuberten und ausgewaschenen Därmen, ein Haufen Hufe und Knochen und weitere Haufen Fettklumpen, die darauf warteten, ausgelassen und zwecks Lagerung in die Därme gefüllt zu werden. Selbst dem Luchs und dem Vielfraß hatte sie etwas Fett abgewinnen können, wenn sie auch das Fleisch fortwarf; das Fett brauchte sie für Lampen und zum Regenfestmachen. Dem Geschmack von fleischfressenden Tieren konnte sie nicht recht etwas abgewinnen.
Ayla sah sich die beiden letzten Batzen Fleisch an; sie hatte sie im Wasser des Flusses vom Schlamm befreit und war drauf und dran, nach einem zu greifen, da besann sie sich eines Besseren. Die konnten warten. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so müde gewesen zu sein. Sie untersuchte noch einmal ihre Feuer, legte auf jedem noch etwas Brennholz nach, breitete dann ihr Bärenfell aus und wickelte sich hinein.
Das kleine Pferd war längst nicht mehr an dem Busch festgebunden. Nach einer zweiten Fütterung schien es nicht mehr den Wunsch zu verspüren fortzulaufen. Ayla war fast eingeschlafen, als das Füllen sie beschnupperte und sich dann neben ihr niederlegte. In diesem Augenblick erkannte sie nicht, daß die Reaktion des Füllens sie
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