Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
meine Technik zu verbessern. Da ich gerade dabei war, neue Ideen auszuprobieren, dachte ich, es könne nicht schaden, wenn der Stein nicht ganz so vollkommen wäre. Aber sobald ich anfing, ihn zu bearbeiten, fiel mir der Unterschied auf. Das geschah kurz nachdem ich zurückgekehrt war; Ranec war noch ein Junge. Und seither habe ich das Verfahren immer weiter vervollkommnet.«
»Was für eine Art von Unterschied meinst du?« fragte Jondalar.
»Probier’s selbst aus, Jondalar, dann wirst du es schon sehen.«
Jondalar nahm seinen Hammerstein zur Hand, einen ovalen Brocken, der vom vielen Gebrauch Dellen und Scharten aufwies. Der Stein lag ihm jedoch gut in der Hand, und so begann Jondalar, ehe er den Kern des mit Feuer behandelten Steins selbst bearbeitete, die Kreiderinde wegzuschlagen.
»Erhitzt man Feuerstein vorm Bearbeiten sehr stark«, fuhr Wymez fort, während Jondalar an der Kruste herumhämmerte, »läßt er sich wesentlich besser bearbeiten, hat man eine viel größere Kontrolle über das Material. Übt man Druck auf den Stein aus, lassen sich viel feinere, dünnere und längere Plättchen entfernen als von nicht erhitztem Material. Man kann dem Stein dann fast jede Form verleihen, die man will.«
Wymez umwickelte seine Linke mit einem Lederfetzen, um sie vor den scharfen Rändern zu schützen, und legte dann einen zweiten Steinkeil, den er vor kurzem von einem der Brocken abgeschlagen hatte, die zuvor im Feuer gelegen hatten, in diese linke Hand, um vorzuführen, was er meinte. Mit der Rechten packte er einen kurzen, spitz zulaufenden Knochenbeitel. Die Spitze des Knochens setzte er am Rand des Feuersteins an und stieß mit kräftiger, nach vorn und unten gerichteter Bewegung gegen den Flint und löste einen kleinen, langen und dünnen, spanähnlichen Splitter ab. Dann hob er den Stein in die Höhe Jondalar nahm ihn ihm ab und probierte es selbst. Ganz offensichtlich war er überrascht und sehr mit dem Ergebnis seiner Bemühung zufrieden.
»Das muß ich unbedingt Dalanar zeigen! Das ist ja unglaublich! Er hat schon manche Bearbeitungsweise verbessert – er besitzt nämlich ein natürliches Gefühl für Steine, wie du, Wymez. Aber du verstehst es ja geradezu, diesen Stein zu schälen und zu schneiden! Und das alles liegt nur daran, daß du ihn vorher erhitzt hast?«
Wymez nickte. »Nun, ich würde nicht gerade sagen, daß man ihn regelrecht schälen und schneiden kann, denn schließlich ist es immer noch ein spröder Stein und damit nicht ganz so einfach zu bearbeiten wie Knochen; aber wenn man sich auf die Bearbeitung von Feuerstein versteht, wird sie durch vorherige Erhitzung des Materials wesentlich erleichtert.«
»Ich möchte mal wissen, wie er auf übertragenen Druck reagiert … hast du schon mal versucht, einen spitzen Knochen oder ein spitzes Geweihstück zu nehmen und damit die Schlagkraft eines Hammersteins auf eine bestimmte Stelle zu richten? Damit gelingt es, wesentliche längere und dünnere Klingen herzustellen.«
Ayla fand, daß Jondalar eine natürliche Begabung für die Steinbearbeitung besaß. Aber mehr als das spürte sie seine Begeisterung und seinen spontanen Wunsch, diese großartige Entdeckung mit Dalanar zu teilen, einen schmerzlichen Wunsch heimzukehren zu seinen Leuten.
In ihrem Tal, als sie noch gezögert hatte, sich den unbekannten Anderen zu stellen, hatte sie geglaubt, Jondalar habe nur deshalb den Wunsch fortzugehen, um wieder mit anderen Menschen zusammensein zu können. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nie verstanden, wie mächtig seine Sehnsucht war, wieder dorthin zurückzukehren, wo er herkam. Das war wie eine Offenbarung, eine plötzliche Erkenntnis; sie wußte, daß er woanders nie wirklich glücklich sein konnte.
Obwohl sie ihren Sohn und die Leute, die sie liebte, verzweifelt vermißte, hatte Ayla nie Heimweh gekannt, wie Jondalar es kannte – dies Sichverzehren danach, wieder dort zu sein, wo man die Menschen kannte und Sitten und Gebräuche einem vertraut waren. Was sie selbst betraf, so wußte sie, daß sie – seit sie ihn verlassen hatte – niemals wieder zum Clan zurückkehren konnte. Für die Clan-Angehörigen war sie gestorben. Sähen sie sie jetzt, würden sie sie für ein Gespenst, für einen Quälgeist halten. Und sie ihrerseits wußte, daß sie nie wieder bei ihnen leben wollte, selbst wenn sie könnte. Wiewohl sie erst seit kurzer Zeit im Löwen-Lager weilte, fühlte sie sich hier bereits wohler und mehr zu Hause als in all den Jahren, die sie beim
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