Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
dem Langhaus heraustrat und sie anlächelte. Er versuchte, die Galle hinunterzuschlucken und den Zorn zu beherrschen, der in ihm hochkam. Eine solche Eifersucht kannte er sonst gar nicht, und er haßte sich dafür. Er war sich sicher, daß Ayla ihn verabscheuen oder – schlimmer noch – bemitleiden würde, wenn sie wüßte, wie ihm zumute war. Er griff nach einem großen Flintknollen und schlug ihn mit einem Hammerstein auf. Der Stein war fehlerhaft und wies in der Außenhülle eine ganze Menge krümeliger Kalkeinschlüsse auf, doch Jondalar hieb immer wieder auf ihn ein und zertrümmerte ihn in kleine und immer kleinere Stücke.
Ranec sah Ayla vom Steinschlägerplatz herüberkommen. Daß seine Erregung und die Anziehung, die er jedesmal verspürte, wenn er sie sah, immer stärker wurden, ließ sich nicht leugnen. Er hatte sich von Anfang an von der Makellosigkeit der Form angezogen gefühlt, die sie für sein Schönheitsempfinden darstellte – nicht nur von der schön anzuschauenden Frau, sondern auch von der ungezwungenen Anmut ihrer Bewegungen. Der Blick, den er für so etwas hatte, war geschärft, und er konnte nicht die kleinste Unnatürlichkeit oder irgendwelches Getue bei ihr entdecken. Sie trug ein gesundes Selbstbewußtsein zur Schau, ein unerschrockenes Zutrauen, welches so vollkommen natürlich schien, daß er meinte, es müsse angeboren sein; außerdem rief diese Haltung eine Eigenschaft bei ihr hervor, die er nicht anders denn als kraftvolle Gegenwärtigkeit bezeichnen konnte.
Er begrüßte sie mit einem warmherzigen Lächeln. Dieses Lächeln konnte man nicht einfach übersehen, und Ayla erwiderte es ähnlich warmherzig.
»Sind deine Ohren gesättigt von Feuersteingerede?« sagte Ranec und zog die beiden letzten Wörter zu einem einzigen zusammen, wodurch die Frage etwas leicht Abschätziges bekam. Ayla spürte den feinen Unterschied zwar, war sich über die Bedeutung jedoch nicht ganz im klaren und meinte, das müsse wohl etwas wie Humor darstellen.
»Ja. Sie reden von Flint. Klingen und Werkzeuge herstellen.
Speerspitzen. Wymez macht wunderschöne Speerspitzen.« »Ah, dann hat er also seine Schätze vorgezeigt, wie? Du hast
recht, sie sind wirklich wunderschön. Ich bin mir manchmal
nicht sicher, ob er es weiß, aber Wymez ist mehr als ein
Handwerker. Er ist ein Künstler.«
Ayla runzelte die Stirn. Ihr fiel ein, daß er dieses Wort
gebraucht hatte, um ihr zu verstehen zu geben, welche
Hochachtung er davor hatte, wie sie mit der Schleuder umging.
Sie war sich nicht sicher, ob sie die Bedeutung des Wortes
richtig verstand. »Bist du ein Künstler?« fragte sie.
Er verzog das Gesicht. Sie hatte mit ihrer Frage etwas
angerührt, das ihn sehr stark beschäftigte.
Die Mamutoi glaubten, als erstes habe Die Mutter eine
Geistwelt erschaffen, und die Geister aller Dinge, die es darin
gab, wären vollkommen. Dann hätten die Geister lebendige
Abbilder ihrer selbst geschaffen, um die gewöhnliche Welt zu
bevölkern. Der Geist war das Modell, das Grundmuster, von
dem sich alles ableitete, doch nie konnte ein Abbild so
vollkommen sein wie das Urbild; nicht einmal die Geister selbst
konnten vollkommene Abbilder machen, und deshalb war ein
jedes anders als das andere.
Menschen waren einzigartig, sie standen der Mutter näher als andere Geister. Die Mutter brachte ein Abbild ihrer Selbst hervor und nannte ihren Geist Frau, sorgte dann dafür, daß ein Geist-Mann aus ihrem Schoß hervorging, so wie jeder Mensch von einer Frau geboren wurde. Später sorgte die Große Mutter dafür, daß der Geist der vollkommenen Frau sich mit dem Geist des vollkommenen Mannes vermischte und dadurch viele verschiedene Geist-Kinder entstanden. Sie selbst jedoch war es, die entschied, welchen Mannes Geist sich mit dem einer Frau vermischte, ehe Sie der Frau den Lebensodem einhauchte, auf daß diese schwanger werde. Und einigen wenigen Ihrer Kinder
– Männer wie Frauen – gab die Mutter besondere Gaben mit. Ranec selbst sah sich als Bildschnitzer, als Schaffer von
Dingen, die ärmlich geschnitzt waren wie lebende oder geistige
Dinge. Schnitzwerkzeuge waren nützliche Gegenstände. Sie
verkörperten lebendige Geister, machten sie sichtbar und
erkennbar, und sie stellten wichtige Gerätschaften für besondere
Riten dar, die notwendig waren für Zeremonien, die von den
Mamutoi vollzogen wurden. Diejenigen Menschen, die solche
Gegenstände schaffen konnten, wurden hoch geachtet; sie waren
begabte Künstler, von der Mutter
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