Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
verschaffen.«
»Soll das heißen, ihr wollt uns adoptieren? Ihr möchtet, daß wir Mamutoi werden?« entfuhr es Jondalar überrascht.
»Ihr wollt mich? Wollt mich adoptieren?« fragte Ayla. Sie war dem Gespräch gefolgt, sie hatte die Stirn gerunzelt, solche Mühe kostete es sie, alles zu verstehen, und sie war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie glauben konnte, was sie da gehört hatte. »Ihr wollt Ayla von den Nicht-Leuten zu Ayla von den Mamutoi machen?«
Der bärengroße Talut lächelte. »Ja.«
Jondalar wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Gastfreundschaft Fremden gegenüber war vielleicht eine Sache der guten Sitten und Gebräuche und des Stolzes; aber bei niemand war es üblich, Fremde ohne gründliche und ernste Überlegungen aufzufordern, sich ihrem Stamm anzuschließen und Mitglied der eigenen Familie zu werden.
»Ich … nun ja … ich weiß nicht … was ich dazu sagen soll«, sagte er.
»Ich fühle mich sehr geehrt. Ein solches Anerbieten ist ein großes Kompliment.«
»Ich weiß, ihr braucht Zeit, um darüber nachzudenken. Überlegt es euch – beide«, sagte Talut. »Mich würde es überraschen, wenn ihr es nicht tätet. Wir haben noch nicht alle eingeweiht, und das ganze Lager muß ja zustimmen, aber das wäre bei allem, was ihr mitbringt, wohl kein Problem, zumal Tulie und ich für euch sprechen. Ich wollte nur zuerst euch fragen. Wenn ihr einverstanden seid, berufe ich eine Versammlung ein.«
Schweigend sahen sie den großen Anführer in die Erdhütte zurückkehren. Sie hatten vorgehabt, sich einen Ort zu suchen, wo sie sich aussprechen konnten, wobei jeder gehofft hatte, Probleme zu lösen, von denen sie meinten, daß sie sich zwischen ihnen aufgetan hätten. Jetzt hatte Taluts unerwartete Einladung ihren Gedanken und den Entschlüssen, die sie fassen mußten, ja, ihrem ganzen Leben eine völlig neue Dimension hinzugefügt. Wortlos stieg Ayla Winnie auf den Rücken, und Jondalar saß hinter ihr auf. Jeder in die eigenen Gedanken verloren, ritten sie – Renner hinter sich – den Hang hinauf und über das offene Land.
Ayla war von Taluts Angebot tief gerührt; sie wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Beim Clan hatte sie sich häufig entfremdet gefühlt, doch war das nichts gewesen im Vergleich zu der schmerzenden Leere, der verzweifelten Einsamkeit, die sie – ohne den Clan und ganz auf sich allein gestellt – später kennengelernt hatte. Von der Zeit ihrer Verstoßung an bis zu dem Augenblick, da Jondalar gekommen war – und das war kaum ein Jahr her –, war sie mutterseelenallein gewesen. Sie hatte niemand gehabt, hatte nicht gewußt, was es heißt, irgendwo dazuzugehören, kein Zuhause, keine Familie, keine Leute – und sie hatte gewußt, daß sie den Clan nie wiedersehen würde. Durch ein Erdbeben war sie zur Waise geworden, dann hatte der Clan sie gefunden. Erdstöße hatte es auch an dem Tag gegeben, da sie verstoßen worden war – so waren Erdbeben für sie mit einem Gefühl tiefer Unabänderlichkeit verbunden.
Eine elementare Furcht durchzog dieses Gefühl, eine Mischung aus dem Urschrecken der sich schüttelnden Erde und dem krampfartigen Schauder eines kleinen Mädchens, das alles verloren hatte, selbst die Erinnerung an diejenigen, denen sie geboren worden war. Nichts fürchtete Ayla mehr als spaltenaufreißende Erdbewegungen. Diese schienen Veränderungen in ihrem Leben zu signalisieren, die nicht minder abrupt und gewalttätig waren als die Veränderungen, die sie über das Land brachten. Es war, als verrate die Erde selbst ihr, was sie zu erwarten hatte … oder als zitterte sie vor Mitgefühl.
Aber nachdem sie beim ersten Mal alles verloren hatte, waren die Clan-Angehörigen ihre Leute geworden. Und jetzt konnte sie, wenn sie wollte, wieder zu anderen dazugehören. Sie konnte Mamutoi werden; sie würde nicht mehr allein sein.
Was aber war mit Jondalar? Wie konnte dieser einen Stamm wählen, der anders war als der, dem er angehörte? Ob er wohl den Wunsch hätte, zu bleiben und Mamutoi zu werden? Das bezweifelte Ayla. Sie war sich sicher, daß er zu seinen eigenen Leuten zurückkehren wollte. Aber er hatte Angst gehabt, alle Anderen würden sich ihr gegenüber verhalten, wie Frebec es tat. Er wollte nicht, daß sie vom Clan sprach. Was, wenn sie ihn begleitete und seine Leute sie nicht akzeptierten? Vielleicht waren diese alle so wie Frebec. Sie würde auf keinen Fall davon Abstand nehmen, sie zu erwähnen; sie würde sich nicht derer schämen, die sie
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