Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Erst da begriff er endlich, daß die immer tiefer werdende Kluft zwischen ihnen sein Werk war. Doch wie daran etwas ändern, wußte er nicht. So erfahren und kenntnisreich er in bezug auf Frauen war, die Erfahrung zu lieben hatte er noch nicht gemacht. Er stellte fest, daß es ihm widerstrebte, ihr zu sagen, was er für sie empfand. Er erinnerte sich, daß junge Frauen ihm gefolgt waren und ihre starken Gefühle für ihn zum Ausdruck gebracht hatten, während er ihnen solche nicht entgegenbrachte. Ihn hatte das stets mit Unbehagen erfüllt, in ihm den Wunsch geweckt, davonzulaufen. Und da er nicht wollte, daß Ayla so auf ihn reagierte, hielt er sich zurück.
Ranec wußte, daß sie keine Wonnen teilten. Er war sich Aylas jeden Augenblick quälend bewußt, jedoch bemüht, sich das nicht anmerken zu lassen. Er wußte, wann sie zu Bett ging und wann sie erwachte, was sie aß und mit wem sie redete, und verbrachte soviel Zeit wie möglich am Herdfeuer des Mammut. Ranecs Schlagfertigkeit und seine witzigen Bemerkungen, die nicht selten auf den einen oder anderen Angehörigen des Löwen-Lagers zielten, riefen unter den dort Versammelten häufig schallendes Gelächter hervor. Dabei hütete Ranec sich Jondalar auch nur im mindesten zu verunglimpfen, gleichgültig, ob Ayla in der Nähe war oder nicht. Der Gast im Lager war sich sehr wohl bewußt, wie spritzig Ranec mit Worten umgehen konnte, doch solche Blitzgescheitheit war niemals Jondalars Stärke gewesen. Ranecs muskulöser Körper, seine Unbekümmertheit und Selbstsicherheit bewirkten, daß der großgewachsene, auffallend stattliche Mann sich vorkam wie ein ungeschlachter Dummkopf. Je weiter der Winter fortschritt, desto schlimmer wirkte sich das ungelöste Mißverständnis zwischen Jondalar und Ayla aus. Jondalar hatte nachgerade Angst, sie für immer an den dunkelhäutigen, exotischen und einnehmenden Mann zu verlieren. Zwar versuchte er immer wieder, sich einzureden, er müsse fair ihr gegenüber sein und sie ihre eigene Wahl treffen lassen und habe im übrigen keinerlei Recht, irgendwelche Ansprüche auf sie zu erheben. Aber genauso sehr hielt er sich auch deshalb von ihr fern, weil er ihr keine Möglichkeit geben wollte, sich zu entscheiden – und zwar gegen ihn zu entscheiden.
Den Mamutoi schien das unwirtliche Wetter nichts auszumachen. Sie hatten reichlich Nahrungsmittel eingelagert und gaben sich in ihrem gemütlichen und sicheren, halb unterirdischen Langhaus den üblichen Winterbeschäftigungen hin. Die älteren Leute versammelten sich vornehmlich um die Kochstelle herum, tranken heißen Tee, erzählten sich Geschichten, ergingen sich in Erinnerungen, plauderten oder spielten mit kleinen geschnitzten Elfenbein- oder Knochenfiguren Glücksspiele – wenn sie nicht gerade irgendwelche größeren Pläne verwirklichten. Die jüngeren Mitglieder des Lagers versammelten sich um das Herdfeuer des Mammut, scherzten und lachten, sangen Lieder oder übten auf Musikinstrumenten. Dabei hielten sich die beiden Gruppen keineswegs streng getrennt; es kam zu vielen Begegnungen zwischen ihnen, und die Kinder waren überall willkommen. Dies war die Zeit, Werkzeug und Waffen, Gerätschaften und Schmuck herzustellen oder auszubessern; die Zeit, Körbe zu flechten, Matten zu weben, Elfenbein-, Knochen- und Geweihschnitzereien herzustellen; Riemen, Seile und Schnüre und Netze zu machen; und die Zeit, Kleidung zu fertigen und zu verschönern.
Ayla war an der Art der Lederherstellung der Mamutoi interessiert; insbesondere daran, wie sie es färbten. Sehr angetan war sie auch von farbigen Stickereien, Borsten- und Perlenarbeiten. Verzierte und genähte Kleider waren etwas Neues und Ungewöhnliches für sie.
»Du hast gesagt, du würdest mir zeigen, wie man das Leder rot färbt, sobald ich ein Fell fertig habe. Ich glaube, die Wisentdecke, an der ich arbeite, ist jetzt soweit fertig«, sagte Ayla.
»Na schön, dann werde ich es dir zeigen«, sagte Deegie. »Laß sehen, wie sie aussieht.«
Ayla begab sich zu der Vorratsplattform am Kopfende ihres Bettes, rollte ein ganzes Fell auseinander und breitete es aus. Es fühlte sich unglaublich weich und schmiegsam an und war fast weiß. Deegie untersuchte es kritisch. Sie hatte gut aufgepaßt, wie Ayla es bearbeitet hatte, keine Bemerkung dazu gemacht, aber immer interessiert zugesehen.
Zunächst hatte Ayla die dicke Mähne des Tieres mit einem scharfen Messer dicht über der Haut abgeschnitten, sie auf den Schabebock – einen großen
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